Die ansteckendere Coronavirus-Variante, die zuerst britische Mediziner nachgewiesen haben, hat zu stark steigenden Infektionszahlen in Deutschland geführt. Viele sprechen von einer dritten Welle – die jetzt auch auf die Intensivstationen in den Kliniken überschwappt. Dies geschieht mit Verzögerung, auch weil zwischen einer Infektion und einer Einlieferung ins Krankenhaus einige Zeit vergeht.
Am Ostermontag wurden 4.144 Menschen intensivmedizinisch behandelt, wie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) in ihrem Intensivregister online darstellt (Stand: 12.15 Uhr). Das waren 93 Patienten mehr als am Vortag. Mehr als die Hälfte der Intensivpatienten werden invasiv mechanisch beatmet.
Und es werden wohl noch deutlich mehr: Divi-Präsident Gernot Marx von der Uniklinik Aachen erwartet durch die dritte Welle bis zu 6.800 Patienten. "Wir wissen alle: Bei mehr als 5.000 Covid-19-Patienten wird es wirklich kritisch."
Spahn besorgt über Auslastungen auf Intensivstationen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte am Montag die Situation auf den Intensivstationen und in den Kliniken angesichts steigender Auslastungszahlen besorgniserregend. "Wir müssen diese dritte Welle miteinander brechen und Kontakte reduzieren", sagte er. "Vor allem im privaten Bereich, in den Schulen, auf Arbeit, wo es eben geht."
Der Minister appellierte an die Länder, "dort, wo eine Inzidenz von über 100 ist, die vereinbarte Notbremse konsequent umzusetzen, um die Zahlen runter zu bringen".
Situation auf NRW-Intensivstationen verschärft sich
Auch in Nordrhein-Westfalen steigen die Belegzahlen der Intensivstationen. Laut Divi-Intensivregister sind landesweit 864 Covid-19-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung, 455 davon werden invasiv beatmet.
Die Auslastung der Intensivstationen in den NRW-Kliniken ist regional sehr unterschiedlich: zum Beispiel in Lippe waren 96 Prozent der Intensivbetten belegt, in Köln und Unna 94 Prozent, im Rhein-Sieg-Kreis, Remscheid und Münster 93 Prozent.
Forderungen nach hartem Corona-Lockdown
Schon am Gründonnerstag hatte der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, vor einer Überfüllung von Deutschlands Intensivstationen innerhalb von vier Wochen gewarnt.
"Es braucht jetzt dringend einen harten Lockdown für zwei Wochen, verpflichtende Tests an Schulen zweimal in der Woche und deutlich mehr Tempo bei den Impfungen in den Zentren und Arztpraxen", hatte er in der "Rheinischen Post" erklärt.
Divi-Präsident Marx warnte schon vor einer Woche: "Nur weil die Bevölkerung des Lockdowns müde ist, können wir nicht bei Inzidenzen von 138, einem R-Wert von 1,2 und exponentiell steigenden Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen darüber nachdenken, wie sich weitere Lockerungen durchsetzen lassen."
Warnungen von Virologen bleiben noch ohne Reaktion
Angesichts rasant steigender Infektionszahlen und der Zunahme von Corona-Intensivpatienten haben auch Christian Drosten, Chefvirologe der Berliner Charité, und die Virologin Melanie Brinkmann vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum vor einer ungebremsten Fortsetzung gewarnt.
Im "Spiegel" erklärte Drosten, "wir werden um einen ernsthaften Lockdown nicht herumkommen". Melanie Brinkmann warnte, wenn alles so weiterlaufe wie bisher, "wird jeder in seinem ganz direkten Umfeld Menschen kennen, die im Krankenhaus waren, gestorben sind, unter Langzeitschäden leiden".
Brinkmann sagte, sie sei wütend, dass nicht früher reagiert wurde auf die Warnungen der Wissenschaft. "Wir könnten jetzt schon bei Zehner-Inzidenzen sein, wenn die Politiker bei der Bund-Länder-Konferenz im Januar ernst genommen hätten, was wir ihnen gesagt haben."