Hausarzt statt Impfzentrum: Wie lange brauchen wir die Impfzentren noch?

Stand: 21.04.2021, 17:03 Uhr

Einige Menschen lassen sich lieber von ihrem Hausarzt impfen statt ins Impfzentrum zu gehen. Nicht selten entstehen doppelte Termin-Buchungen und Impfdosen bleiben übrig.

Von Lena Sterz, Anke Kahle

Im Kölner Impfzentrum sind die Anfragen in den vergangenen Tagen kontinuierlich zurückgegangen. Statt möglicher 7500 Impftermine sind am Mittwoch nur 4500 Termine abgerufen worden. Möglicher Hintergrund: Potentielle Impflinge, so sagen Beobachter, lassen sich lieber in ihren Hausarzt-Praxen impfen. Es gebe auch Menschen, die wegen des Impfstoffes Astrazeneca von einer Impfung in den Impfzenten Abstand nähmen.

Geschwänzte Impftermine sorgen für Probleme

In Südwestfalen klagt Michael Schöler, der organisatorische Leiter des Impfzentrums in Attendorn, über „geschwänzte“ Impftermine. Viele gehen lieber zu ihrem Hausarzt und sagen ihren Termin im Impfzentrum aber nicht ab – Schöler spricht von bis zu 40 Prozent: „Dadurch bleibt der Impfstoff, der nur begrenzt haltbar ist, bei uns im Impfzentrum liegen und wir wollen natürlich nichts wegschmeißen.“ Viele Patienten geben an, das Vertrauensverhältnis sei beim Hausarzt ein größeres. 

Impfbereitschaft regional unterschiedlich

Im Impfzentrum in Recklinghausen kommt Zentrumsleiter Hermann Geldmann kaum hinterher mit dem Impfen. Dort werden jede Woche 15.000 Menschen geimpft: „Wir können gar nicht alle impfen, die geimpft werden wollen. Wir haben eher zu wenig Impfstoff und möchten gerne mehr haben.“ Es kommt schon mal vor, dass er das Impfzentrum erst gegen 22:30h verlässt, um auf den letzten Impfling zu warten.

In Münster spricht die Stadt von einer enormen Impfbereitschaft. Am Freitag will die Stadt 100.000 Geimpfte erreicht haben – das meiste davon in den Impfzentren. Damit hätte Münster eine Impfquote von über 30 Prozent und läge so über dem aktuellen Landesdurchschnitt.

In Siegen geht die Stadt aktuell von rund drei bis fünf Prozent aller Impflinge aus, die einen Termin im Impfzentrum nicht wahrnehmen. Überschüssiger Impfstoff wird an die Hausarztpraxen weitergegeben.

Jens Wasserberg ist Hausarztin Bedburg und wenn es nach ihm ginge, würde er in diesen Tagen in einen Armnach dem anderen impfen. Wasserberg fühlt sich gegenüber den Impfzentrenbenachteiligt: "Die Hausärzte kriegen das, was übrig bleibt," meint er.

Eine halbe Million Dosen mehr für die Hausärzte

Es sieht jedoch so aus, als ob sich das langsam ändert: In der kommenden Woche wird auch Wasserberg wohl mehr Impfstoff von Biontech-Pfizer bekommen als gedacht. Zwei Millionen Dosen gibt es für die Hausärzte in Deutschland dann insgesamt, das sind laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung maximal 48 Dosen pro Arzt in der Woche. Gleichzeitig meldet das NRW-Gesundheitsministerium, dass ab Freitag die Terminbuchung in den Impfzentren für alle Menschen ab 70 Jahren freigeschaltet wird.

Jens Wasserberg meint, dass Hausärzte wie er noch einiges mehr verimpfen könnten - und man die Impfzentren teilweise schließen könne. "In den Städten mag das anders sein, aber aus versorgungstechnischer Sicht gibt es hier auf dem Land überhaupt gar keinen Grund mehr, ein Impfzentrum zu betreiben."

Gesundheitsökonom: "Ein Impfzentrum kostet Zehntausende Euro pro Tag"

Gesundheitsökonom Reinhard Busse kann dieser Position etwas abgewinnen, denn mit 20 Euro pro Impfung sind die Hausärzte günstiger als die Impfzentren. Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung reichen vom 2,7 bis 13-fachen Preises, das wären zwischen 53 und 256 Euro pro Impfung in einem Zentrum. "Wenn man sieht, dass ein durchschnittliches Impfzentrum am Tag mehrere Zehntausend Euro kostet, dann kann man sich ausrechnen, was die eigentlich impfen müssten", sagt Busse. "An den allermeisten Tagen schaffen sie das halt nicht."

Das liegt aktuell auch an der Impfstoffknappheit, und die könnte bald enden: "Wir werden demnächst so viel Impfstoff haben, sowohl Hausärzte als auch Impfzentren werden parallel voll ausgelastet sein", erwartet Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD).

Lauterbach sieht noch ein anderes Argument als das der Kosten: "Die Impfzentren sind sehr stark darin, Leute anzuschreiben, die Priorisierung eng einzuhalten." Die Hausärzte entscheiden dagegen letztendlich selbst, welche Patienten sie zuerst impfen.

Lange Mietverträge bei den Impfzentren

Es gibt Hinweise, dass manche Hausärzte es dabei mit der Priorisierung nicht so eng nehmen. "Wenn wir die Priorisierung nicht einhalten, würden wir beispielsweise mehr Jüngere impfen und nicht die Priorisierten. Dann hätten wir deutlich höhere Sterbezahlen in den nächsten Wochen," befürchtet Lauterbach.

Eine WDR-Umfrage unter zehn Impfzentren in Nordrhein-Westfalen hat ergeben, dass einige ihre Mietverträge bis August oder Ende des Jahres abgeschlossen haben. Die neueste Äußerung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum weiteren Zeitplan ist: "Im Laufe des Sommers" sollten die Impfzentren schließen.

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