Clubs und Diskos: Betreibern fehlt Geld, den Menschen die sozialen Kontakte

Stand: 19.12.2020, 21:55 Uhr

Seit Monaten sind die meisten Clubs in NRW komplett geschlossen. Für die Betreiber ist das eine enorme Belastung. Aber nicht nur sie leiden unter den Corona-Regeln.

Von Jörn Kießler

Wochenende, 21 Uhr. Nadines Kinder sind im Bett. Ihr Mann werkelt noch im Keller. Normalerweise wäre die 38-Jährige jetzt auf dem Weg in einen Kölner Club. Oder hätte sich schon mit einer Freundin getroffen. "Dann wären wir höchstwahrscheinlich zu 'Rockgarden' in die Live Music Hall gegangen, um zu tanzen, oder auf ein Konzert in einem kleineren Club", sagt sie etwas wehmütig.

Denn obwohl das Weggehen, Tanzen und vor allem Musik eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen, hat Nadine seit Monaten keinen Club von innen gesehen. Kneipen, Bars und Diskos sind die, die die Corona-Pandemie mit am härtesten trifft.

Soforthilfen und Kurzarbeit für Clubs und Diskos

Viele der gut 300 Diskotheken und Tanzlokale, die es laut Unternehmensregister 2019 in NRW gab, sind seit dem ersten Lockdown im März geschlossen. Etwa 200 von ihnen halten sich nach WDR-Recherchen unter anderem mit den Überbrückungshilfen über Wasser, ein Drittel musste schon in der ersten Corona-Welle Kurzarbeit anmelden.

Hinzu kommen Rettungsprogramme der Kommunen. So hat Köln für die Clubszene einen millionenschweren Hilfsfonds aufgesetzt.

"In meinen schlimmsten Alpträumen hätte ich nicht gedacht, dass wir so lange zumachen müssen", sagt Mirko Schmidt, der in Bielefeld unter anderem die Clubs Residenz und Stereo betreibt. Eine wirklich Pleitewelle wird aktuell nicht befürchtet.

Aber: Tom Thomas, Geschäftsführer des Kölner Clubs Bootshaus, ist sich sicher, dass es nicht alle schaffen: "Die Alteingesessenen werden wieder kommen, aber viele junge Firmen werden das nicht überleben - leider."

Alleinstehende trifft Lockdown besonders hart

Doch die geschlossenen Kneipen, Bars und Clubs sind nicht nur für die Betreiber eine Belastung. "Für mich ist das Weggehen ein Ausbrechen aus dem Alltag", sagt Nadine. "Das ist mein Ausgleich." Wobei die 38-Jährige noch Glück hat – sie hat Familie.

"In Deutschland gibt es gerade unter den jüngeren Menschen viele, die allein wohnen, Singles sind oder nicht in ein festes soziales Umfeld eingebunden. Sie treffen die geschlossenen Gastronomie- und Kultureinrichtungen noch viel härter", sagt Dr. Ulrike Schmidt, stellvertretende Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn. Denn häufig sei das für sie der einzige Weg, um soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.

Gefahr bei wegbrechenden Kontakten

"Wenn soziale Kontakte immer weniger werden, kann das zu Schlaflosigkeit, Sinnlosigkeitsgedanken, einer Depression und im schlimmsten Fall Selbstmordgedanken führen", sagt Schmidt.

In einer Studie haben US-Forscher Hinweise darauf gefunden, dass Menschen, denen ein wichtiges Bedürfnis fehlt, auch die Lust an anderen Dingen verlieren. Sozialer Kontakt ist ein solches Bedürfnis.

"Das kann soweit führen, dass Menschen, die einsam sind, auch überhaupt nicht mehr versuchen, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen", sagt Schmidt. "Das ist dann ein absolutes Warnsignal."

Betreiber und Besucher hoffen auf Neustart

Davon ist Nadine noch weit entfernt. Trotzdem hofft sie, dass es irgendwann wieder möglich sein wird, abends wegzugehen - wenn auch mit Einschränkungen. "Dann werden wir all die Dinge, die wir früher als selbstverständlich angesehen haben, viel mehr zu schätzen wissen," sagt sie.

Auf diesen Moment freut sich auch schon der Betreiber des Bootshaus. "Im Laden zu stehen, Leute feiern zu sehen, ohne Abstand, wird Wahnsinn", sagt Tom Thomas. "Die eine oder andere Träne wird dann bestimmt fließen." Und das wahrscheinlich nicht nur bei ihm.

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