Corona-Infektionslage spitzt sich zu: Worauf wartet die Politik noch?

Stand: 15.04.2021, 10:00 Uhr

Die Infektionszahlen steigen sprunghaft - und möglicherweise gibt es bald zu wenig Intensivbetten. Doch die Politik scheint viel zu langsam zu handeln.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor Ostern mit strengeren, bundesweiten Maßnahmen zur Eindämmung eines sprunghaften Anstiegs der Infektionslage gedroht - auch weil vielerorts die Bund-Länder-Beschlüsse nicht konsequent umgesetzt werden. Vereinbart war etwa eine Notbremse ab einer Wocheninzidenz über 100. In Düsseldorf gilt die Notbremse - der Besuch in Museen und Shoppen mit negativem Test ist weiter möglich, Ausgangsbeschränkungen gibt es nicht.

Die Rufe aus allen Richtungen der Wissenschaft nach einem Lockdown wurden zu den Feiertagen lauter. CDU-Chef Armin Laschet erklärte nach Ostern schließlich, ein "Brücken-Lockdown" sei nötig. Merkels und Laschets Ankündigungen sind beide nicht umgesetzt.

Zahlen steigen sprunghaft

Die Zeit verrinnt, die Zahlen sprechen jetzt eine klare Sprache - wie von den Wissenschaftlern vorhergesagt: Die Osterferien mit weniger Tests haben lange eine genaue Einschätzung der Corona-Lage erschwert. Nun zeigt sich, wie ernst die Situation offenbar wirklich ist: Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstag 29.426 Neuinfektionen. Das sind 9.019 Fälle mehr als am Donnerstag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg im Vergleich zu Mittwoch von 153,2 auf 160,1 - in NRW von 148,4 auf 158,6. Das ist der höchste Wert in diesem Jahr. 293 Menschen sind in Verbindung mit Covid-19 gestorben.

Immer weniger freie Intensivbetten

Doch die Lage spitzt sich zu. Angesichts immer weniger freier Intensivbetten scheint eine "Triage" bald Realität zu werden - Ärzte müssen entscheiden, wer behandelt wird und wer nicht. Professor Michael Hallek von der Kölner Uniklinik sagte am Dienstag im WDR: "Wenn die Zahlen weiter steigen, ist es noch eine Woche." RKI-Präsident Lothar Wieler nennt die Lage in den Krankenhäusern am Donnerstag "dramatisch".

Bei den Essener Universitätskliniken war vor Weihnachten mit 41 Corona-Patienten auf Intensivstationen die bisher höchste Zahl erreicht worden. Aktuell sind es 48.

Intensivmediziner: "Licht am Ende des Tunnels"

Es zeige sich, dass in der dritten Welle deutlich mehr Patienten auf die Intensivstation müssten als etwa im Winter, das liege vermutlich an der Virus-Mutation, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, am Donnerstag im WDR.

Er appellierte an Städte und Kliniken, nicht auf das Infektionsschutzgesetz zu warten. In Ballungszentren und Großstädten müsse jetzt gehandelt werden. Die Städte sollten Maßnahmen beschließen, die im neuen Infektionsschutzgesetz ohnehin geplant seien. Kliniken sollten jetzt planen und strategisch Patienten verlegen, damit nächste und übernächste Woche ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stünden.

Es gebe aber auch "Licht am Ende des Tunnels". Die Impfkampagne habe Fahrt aufgenommen und die Immunisierung der älteren Bevölkerung komme gut voran. "In der Intensivmedizin sind wir schon zufrieden, wenn die Generation über 50 geimpft ist." Für die Zukunft forderte Karagiannidis, dass keine weiteren Intensivbetten mehr abgebaut werden, um für künftige Pandemien gerüstet zu sein.

Wie lange noch?

Doch das öffentliche Leben erfährt keine sichtbare Einschränkungen. Die Politik scheint abzuwarten - anstatt sofort zu handeln. Es gibt zwar einen Gesetzentwurf für eine bundeseinheitliche Corona-Notbremse, aber darüber streiten sich die Parteien im Bundestag. Wenn es dort keine Zwei-Drittel-Mehrheit gibt, haben die Länderchefs im Bundesrat das letzte Wort.

Und diese demokratische Prozess dauert: Der Gesetzentwurf, soll erstmals am Freitag im Bundestag beraten werden und dort wohl erst am kommenden Mittwoch beschlossen werden. Es werde aber noch deutlich länger, bis die Änderungen am Infektionsschutzgesetz wirksam würden, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, am Mittwoch.

"Klar ist, wir müssen jetzt handeln", sagt RKI-Chef Wieler. "Es ist naiv zu glauben, das Virus wegtesten zu können. Das funktioniert nicht."

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