Eigentlich sollen die knappen Corona-Impfstoffe zuerst an Menschen über 80 und medizinisches Personal gehen. Doch schon im Januar sind in NRW mehrere Fälle von Kommunalpolitikern bekannt geworden, die deutlich früher als vorgesehen geimpft wurden.
Unter anderem hatte sich der 31 Jahre alte Bürgermeister von Hennef, Mario Dahm (SPD), mit einer übrig gebliebenen Dosis impfen lassen. Ebenfalls schon geimpft ist der Bürgermeister von Wachtberg, Jörg Schmidt (CDU). Auch der ehemalige Hennefer Bürgermeister Klaus Pipke wurde bereits geimpft.
Acht weitere Bundesländer
Das sorgte für Unmut in der Bevölkerung. Es wurde heftig diskutiert, ob es sich um "Vordrängler" gehandelt hat oder ob es lediglich um die Verimpfung überzähliger Impfdosen ging. Passend dazu wurde unter dem Hashtag "#impfdrängler" bei Twitter gestritten.
Eine bundesweite Recherche der Deutschen Presseagentur ergab nun, dass auch in mindestens acht weiteren Bundesländern Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden, die noch nicht an der Reihe waren.
Politiker, Geistliche, Polizisten
Demnach gab es auch Fälle in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Sachsen, Bremen und Hessen auf. Es sollen neben Kommunalpolitikern unter anderem auch Geistliche und Polizisten zum Zuge gekommen sein, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsgruppe angehörten.
Die Reihenfolge der Impfungen ist in der Corona-Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums klar geregelt.
Begründung: Impfstoff nicht verschwenden
Die Begründung für die vorgezogenen Impfungen lautete nach Angaben der Deutschen Presseagentur in den meisten Fällen: Am Ende des Tages seien Impfdosen übrig geblieben, die man nicht habe verschwenden wollen.
Der Impfstoff muss vor dem Impfen zunächst aufbereitet und verdünnt werden und ist dann nur wenige Stunden haltbar. Sagen Menschen ihren Impftermin ab, können daher am Ende des Tages Impfdosen übrig bleiben.
Das erklärt auch Jürgen Zastrow von der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln: Zunächst würde dann die Priorisierungsliste durchgegangen - und der Impfstoff jenen zur Verfügung gestellt, die an der Reihe sind. Das dauere allerdings. Es gebe Fälle, in denen schlussendlich "pragmatisch" vorgegangen werde - losgelöst von den Priorisierungsgruppen. "Die Alternative ist, Impfstoff zu verwerfen - was wir niemals tun", so Zastrow im WDR. "Die Impfdosis muss in einen Arm."
Byrsch: Strafen für Vordrängler
Ob Menschen von übrig gebliebenen Impfdosen profitiert haben, weil sie zur rechten Zeit am rechten Ort waren oder ob sich sich aktiv vorgedrängelt haben, lässt sich wohl nur im Einzelfall entscheiden.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert jedenfalls die Bestrafung von offensichtlichen Vordränglern. "Immer wieder werden Fälle bekannt, dass sich Menschen unberechtigt impfen lassen", sagte Vorstand Eugen Brysch am Freitag.
Die Impfstoffverordnung ziele eigentlich auf eine gerechte Zuteilung des Impfstoffes ab - "deshalb ist es unverständlich, dass Jens Spahn bis heute keine Sanktionen für unberechtigte Impfungen in seiner Verordnung vorsieht". Dies werde nicht einmal als Ordnungswidrigkeit eingestuft, kritisierte Brysch.
Keine bundesweite Regelung
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schließt Sanktionen gegen Personen, die sich entgegen der Priorisierung vorzeitig gegen Covid-19 impfen lassen, nicht aus. Im Rahmen der Änderung des Infektionsschutzgesetzes werde mit dem Bundestag geprüft, "ob Sanktionen in dem Bereich Sinn machen können", sagte Spahn am Freitag.
Eine bundesweit verbindliche Regelung zum Umgang mit den Impf-Resten gibt es bislang nicht. Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, Organisation und Durchführung der Corona-Impfungen seien Ländersache. "Diesen obliegt auch die Kontrolle darüber, ob die Priorisierungsvorgaben eingehalten werden."
Entscheidung in NRW-Impfzentren
Das NRW-Gesundheitsministerium schrieb dem WDR dazu: "Sofern kleinere Mengen an Impfstoff am Ende einer Impfaktion übrigbleiben, sind die Impf-Teams angehalten, diese niedrigschwellig für Personen mit höchster Impfpriorität zu verwenden." Die Reihenfolge der Anspruchsberechtigten sei in der Coronavirus-Impfverordnung festgelegt.
"Sollte auch nach Ausschöpfung dieser Vorgehensweise die Gefahr des Verfalls bestehen, entscheidet die Koordinierungsstelle der Impfzentren vor Ort über die weitere Verwendung", so das Ministerium. Dies sei dem Verwurf von Impfdosen grundsätzlich vorzuziehen.