Die Busfahrerin: "Ab 20 Uhr ist auf einmal alles leer - gespenstisch!"

Stand: 03.04.2020, 21:30 Uhr

  • Nadine Hackenberg ist Busfahrerin
  • Sie fährt Spät- und Nachtschicht
  • Nachts ist sie allein auf der Straße
  • Busse zeigen Normalität in der Corona-Krise

Mein Job während der Corona-Krise ist es, Bus zu fahren. Ich habe den Eindruck, viele Leute freuen sich im Moment, wenn sie mich fahren sehen. Das gibt ihnen so ein gutes Gefühl, so ein bisschen Normalität: "Ach guck mal, die Busse fahren noch." Auch, wenn sie dann gar nicht mitfahren.

Mein Job ist auch für mich persönlich wichtig, weil ich so noch einen Grund habe, rauszukommen. In meinem privaten Umfeld habe ich viele, die jetzt zu Hause sitzen und nicht wissen, wie es weitergeht. Da bin ich jetzt sehr dankbar, dass ich diesen Job habe, und dass ich ihn noch machen darf.

Gespenstische Leere auf den Straßen

Ich bin Spätschicht- und Nachtexpressfahrerin, deshalb fange ich erst nachmittags an, zwischen 16 und 17 Uhr. Da sind die Busse noch relativ gut gefüllt, aber natürlich nicht so stark wie normalerweise. Die Leute halten Abstand.

Ab 20 Uhr ist dann auf einmal alles leer. Das ist wirklich gespenstisch im Moment. Auf den Straßen laufen nur noch vereinzelt Menschen rum, dann hat man mal so ein, zwei Leute im Bus, und nach 22 Uhr ist es dann ganz tot. Die Einzigen, die dann noch auf der Straße sind, das sind ich und meine Kollegen.

Absperrband hinter der ersten Reihe

Leider gibt es keinen richtigen Kontakt mehr zu den Kunden. Hinter der ersten Reihe ist Absperrband gezogen, damit niemand zu uns nach vorne kommen kann. Es findet auch kein Ticketverkauf mehr bei uns statt und die Türen bleiben vorne auch geschlossen. Ich finde das schade, ich brauche das eigentlich.

Einige Fahrgäste steigen ein, kommen nah an die Absperrung und rufen dann "Guten Abend" oder später "Schönen Feierabend". Da freu ich mich ehrlich drüber. Da denkt man: Ach, die wissen doch, dass hier vorne noch jemand sitzt.

"Es fühlt sich an, als wäre man alleine"

Dadurch, dass die Kunden hinten einsteigen, fühlt sich das an, als wäre man völlig alleine. Ich sehe sie zwar durch den Spiegel, aber ich kriege kaum noch etwas von ihnen mit. Abends zähle ich sonst im Kopf immer mit, wenn die Leute vorne einsteigen und wenn sie später wieder aussteigen.

So bleibe ich mental dabei und weiß immer, was hinten los ist. Normalerweise hat man richtig Leben im Bus und jetzt ist es manchmal in vier Stunden nur ein Fahrgast.

Fahrgäste fühlen sich unbeobachtet

Einige denken: Der Fahrer vorne ist abgeschirmt, dann kann ich mir ja ein Bierchen trinken. Aber denen sag ich dann genauso wie sonst über Lautsprecher, dass das nicht erlaubt ist.

Die Fahrgäste sind in solchen Situationen richtig erschrocken. Ich glaube, weil da jetzt Flatterband ist und alle hinten einsteigen – sie denken nicht mehr daran, dass ich auch noch da bin.

Protokolliert von Tasja Demel

Nadine Hackenberg

  • Busfahrerin aus Dortmund
  • Fährt vor allem Spät- und Nachtschicht

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