Antisemitismus-Beauftragte warnt: Corona-Pandemie als Nährboden für Judenfeindlichkeit
Stand: 19.05.2021, 17:10 Uhr
Am Donnerstag spricht der Landtag über die neusten antisemitischen Vorfälle in NRW. In ihrem Jahresbericht 2020 warnt die NRW-Antisemitismusbeauftragte vor einer gefährlichen Entwicklung.
Von Christian Wolf
Auf den ersten Blick hat die Corona-Pandemie nichts mit Antisemitismus zu tun. Bei dem einen geht es um ein gefährliches Virus, bei dem anderen um gefährliche Judenfeindlichkeit. Doch laut der NRW-Antisemitismusbeauftragten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist die Pandemie ein "Nährboden für einfache Erklärungsmuster und Verschwörungsmythen", die fast immer antisemitisch konnotiert seien.
Corona-Vergleiche relativieren Antisemitismus
Am Mittwoch hat Leutheusser-Schnarrenberger ihren Jahresbericht für 2020 veröffentlicht. So stellt sie fest, dass bei den "Querdenker"-Demonstrationen der antisemitische Terror der NS-Zeit relativiert und verharmlost werde, indem sich Teilnehmer wegen der Beschränkung ihrer Grundrechte mit Anne Frank oder Sophie Scholl verglichen und sich im Widerstand gegen eine Diktatur wähnen. Besonders problematisch sei, dass sich "erstmals Milieus der gesellschaftlichen Mitte mit Rechtsextremisten vereint haben".
Niedrigere Zahlen kein Grund zur Entwarnung
Angesichts dessen sei die leicht rückläufige Entwicklung bei der offiziellen Zahl antisemitischer Straftaten "kein Grund zur Entwarnung". Laut dem Bericht registrierten die Behörden 2020 nach vorläufigen Zahlen 276 antisemitische Straftaten. Dies seien 39 Fälle weniger als im Vorjahr. "Antisemitismus ist für Jüdinnen und Juden Alltag in unserem Land. Viele Taten werden nicht zur Anzeige gebracht oder liegen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Das Dunkelfeld ist riesig", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Das Thema Antisemitismus steht gerade wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Denn in der vergangenen Woche hatte es in Deutschland - auch in NRW - in mehreren Städten antisemitische Ausschreitungen gegeben. Zuvor war der Gaza-Konflikt zwischen militanten Palästinensern und Israel wieder eskaliert. Am Donnerstag will sich der NRW-Landtag mit dem Thema befassen.
Meldestelle soll bald kommen
Die geplante zentrale Meldestelle Antisemitismus soll laut Leutheusser-Schnarrenberger noch im ersten Halbjahr 2021 ihre Arbeit aufnehmen. Der Landtag hatte auf Anregung der FDP-Politikerin beschlossen, dass die Landesregierung eine Recherche- und Informationsstelle für antisemitische Vorfälle einrichten soll. Diese soll auch unterhalb der Strafrechtsgrenze liegendes Verhalten erfassen und Informationen etwa über Hetze im Internet an Verfassungsschutz oder Staatsanwaltschaft geben.