Mit Antikörpertest zum schnellen Impfschutz: Was bringt Spahns Vorhaben?

Stand: 18.09.2021, 19:51 Uhr

Wer unbemerkt Corona hatte, soll bald nach nur einer Impfung als voll geimpft gelten. Um solche Fälle festzustellen, kündigte Gesundheitsminister Spahn Antikörpertests an. Was steckt dahinter? Fragen und Antworten.

Von Jörn Seidel

Nach Studienlage waren in Deutschland wohl Millionen Menschen unbemerkt mit Corona infiziert. Demnächst sollen viele von ihnen nach einer einzigen Impfung als vollständig geimpft gelten - genau wie offiziell Genesene. Fälle einer unbemerkten Infektion sollen mithilfe von Antikörpertests festgestellt werden. So will es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Was genau hat Spahn vor? Wer könnte profitieren? Und was können Antikörpertests wirklich leisten? Fragen und Antworten:

Was genau hat Minister Spahn in Sachen Antikörpertests vor?

Wer unbemerkt Corona hatte und das mit einem Antikörpertest nachweisen kann, soll nach nur einer Impfung als vollständig geimpft gelten, bestätigte Spahn am Samstag dem WDR.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

"Jetzt geht es eben", so der Minister, "dass man durch den Antikörpertest nachweisen kann: Man hatte die Infektion." Früher seien diese Tests nicht gut genug gewesen.

Die Impfverordnung muss dafür offenbar noch nicht geändert werden. Schriftlich verkündet ist die neue Regelung noch nicht.

Bezahlen muss man den Antikörpertest allerdings selbst. Er kostet etwa 20 bis 25 Euro. Als Genesenen-Nachweis gilt der Antikörper-Nachweis trotzdem nicht. Dafür ist weiterhin ein positiver PCR-Test erforderlich.

Ist die Idee mit dem Antikörpertest neu?

Nein. Genau diese Empfehlung gab die Ständige Impfkommission (Stiko) schon am 1. Juli ab. Auch zuvor gab es von verschiedenen Seiten die Forderung, dass für den Nachweis einer Genesung alternativ zum positiven PCR-Test ein positiver Antikörpertest akzeptiert werden solle.

Der Hintergrund: Wird einem erst später klar, dass man Corona hatte, lässt sich das nicht mehr per PCR-Test nachweisen. Offiziell gilt man aber nur dann als genesen, wenn der positive PCR-Test mindestens 28 Tage, aber nicht länger als sechs Monate zurückliegt.

Wie viele Menschen profitieren von der neuen Regelung?

Legt man die Erkenntnisse der Gutenberg-Covid-19-Studie der Uni Mainz zugrunde, könnten von dieser Regelung möglicherweise hunderttausende Menschen profitieren. Anfang Juli gaben die Forscherinnen und Forscher bekannt, dass 42 Prozent der betroffenen Studienteilnehmer nichts von ihrer zurückliegenden Infektion wussten. Anders gesagt: Die Studie deutet darauf hin, dass Corona-Infektionen in vier von zehn Fällen unbemerkt bleiben. Knapp vier Millionen Menschen gelten in Deutschland offiziell als genesen.

Allerdings sind viele der unbemerkt Genesenen wahrscheinlich schon längst doppelt geimpft. Denn mittlerweile sind in Deutschland laut Impfdashboard des Bundes etwa 63 Prozent der Menschen voll geimpft. Abzüglich der Kinder unter zwölf Jahren, für die es keine Impf-Empfehlung gibt, sind derzeit noch 20,8 Millionen Menschen ohne erste Impfung. Darunter sind allerdings auch viele, die sich einer Impfung verweigern.

Kann mit Spahns Vorhaben die Herdenimmunität erreicht werden?

Die Herdenimmunität werde man damit sicherlich nicht erreichen, sagte Julia Polke von der WDR-Wissenschaftsredaktion in der "Aktuellen Stunde". Allerdings werde man "die klassische Herdenimmunität", also "diesen Punkt, das Virus läuft sich tot", ohnehin nicht erreichen, ist sie überzeugt. Das liege schon allein daran, dass zum Teil auch Geimpfte das Virus weitergeben.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Was können Antikörpertests wirklich leisten?

Zwar können Antikörpertests laut Spahn mittlerweile zuverlässig nachweisen, dass man Corona hatte. Wie gut man aber vor einer weiteren Infektion und Erkrankung geschützt ist, können die Tests nicht klären,so das Robert Koch-Institut (RKI).

Die Vorstellung ist: Man weist Antikörper im Blut nach und dann weiß man anhand der Menge der Antikörper, jemand ist besser oder weniger gut geschützt. Aber dieses Wissen ist einfach nicht da. Lothar Wieler, RKI-Chef, zitiert nach MDR

Laut Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung hängt der Immunschutz unter anderem auch von den "B-Gedächtniszellen" und den "T-Zellen" ab, über die ein Antikörpertest nichts aussagt. Das gilt übrigens auch für den Immunschutz nach einer Impfung.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Insofern kann das Vorhaben von Jens Spahn durchaus als widersprüchlich erscheinen: Einerseits gilt man mit einem positiven Antikörpertest als so immun, dass nur noch eine Impfung nötig ist. Andererseits gilt man offiziell trotzdem nicht als genesen.

Weitere Themen

Aktuelle TV-Sendungen