Warum der Anglizismus "Lockdown" eigentlich Bullshit ist

Stand: 02.02.2021, 19:58 Uhr

Das Wort "Lockdown" ist der Anglizismus des Jahres 2020. Aber beschreibt der Begriff tatsächlich korrekt, was sich in Corona-Deutschland abspielt? Die Sache ist tückisch.

Von Frank Menke

Anglizismen sind im Deutschen der Hit. Eine steile Karriere in dieser Hinsicht hat der Begriff "Lockdown" gemacht – nicht, weil er cool und trendy daherkommt, sondern weil das Coronavirus sein Mastermind ist. So überrascht es nicht, dass eine Jury um den Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch den Begriff zum "Anglizismus des Jahres 2020" gekürt hat.

Korrekt oder nicht?

Natürlich hat die Sache - Achtung, Klugscheißer-Alarm - einen kleinen Haken: So easy der Begriff einem über die Lippen kommt, beschreibt er wirklich zutreffend die Alltagsbeschränkungen in Deutschland im Zuge der Corona-Pandemie? Oder ist er einfach Bullshit?

Das Cambridge Dictionary definiert einen Lockdown als "eine Notsituation/einen Notfall, in der/dem Personen aufgrund von Gefahren nicht frei in ein Gebäude oder einen Bereich eintreten, diesen verlassen oder sich darin frei bewegen dürfen". Das klingt dann doch eher nach Feueralarm, Terroranschlag oder Erdbeben.

Es gibt dort aber noch eine zweite Begriffsbedeutung für Lockdown: nämlich "eine Zeitspanne, in der Menschen wegen einer gefährlichen Krankheit ihre Häuser nicht verlassen oder nicht frei reisen dürfen“. Okay, das mit der Krankheit und dem Reisen kommt der Sache irgendwie schon näher.

Aber dass die Deutschen seit Wochen und Monaten in ihren eigenen vier Wänden gefangen sind, würden wohl doch nur die wenigsten Fans von Verschwörungserzählungen oder Corona-Leugner behaupten, oder?

Ein Schein-Anglizismus

Auch die Definition des Duden - "Ausgangssperre, Abriegelung" - spricht dafür, dass es sich bei der Verwendung des Lockdown-Begriffs im Deutschen eher um einen Schein-Anglizismus handelt.

Damit befindet er sich allerdings in guter Gesellschaft. Das Wort "handy" bezeichnet ja im Englischen auch nicht ein Mobiltelefon, sondern bedeutet "praktisch" oder "geschickt". Und unter "public viewing" versteht der Brite kein bierseliges Fußballgucken in großen Menschenmengen unter freiem Himmel, sondern umgangssprachlich eine öffentliche Leichenschau. Und "smoking" ist im Englischen keine Abendgarderobe (die heißt Tuxedo), sondern bedeutet "rauchend".

Erster Lockdown in einem US-Gefängnis

Übrigens: Die erste Erwähnung des Worts Lockdown im heutigen Sinn gab es laut Sprachwissenschaftler Stefanowitsch im Zusammenhang mit einem Vorfall in einem US-Gefängnis im Dezember 1973. Nach einer Messerattacke auf einen Insassen wurden die Gefangenen in ihre Zellen eingesperrt - das Gefängnis ging in den "Lockdown". Das Opfer hieß, kein Gag, ausgerechnet Juan Corona.

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