Hohe Inzidenzen in Einwanderervierteln: "Darf kein Tabuthema sein"

Stand: 29.04.2021, 06:00 Uhr

Städte und Stadtteile mit einer hohen Einwandererquote sind oft Corona-Hotspots. Ist Migrationshintergrund wirklich ein Faktor für die Covid-19-Inzidenz?

Von Oliver Scheel

Die Migrationsexpertin und Menschenrechtlerin Düzen Tekkal (CDU) hat zum Thema hohe Inzidenzen in Einwanderervierteln eine klare Meinung: "Es ist Fakt, dass die Inzidenzen in Vierteln mit hohem Migrationshintergrund überproportional hoch sind. Das dürfen wir weder tabuisieren noch verteufeln", sagt sie im Gespräch mit dem WDR.

Das Thema auf die Tagesordnung zu holen, hält Tekkal, deren Eltern jesidische Kurden sind, für absolut wichtig: "Das ist kein Tabuthema, und es ist auch nicht rassistisch." Rassistisch wäre es vielmehr, Menschen sterben zu lassen, ohne dieses Thema anzusprechen. Natürlich sei in kollektivistisch geprägten Großfamilien das Ansteckungsrisiko höher.

"Da ist ein Vakuum entstanden"

Deshalb besteht laut Tekkal enormer Handlungsbedarf. "Es gibt tatsächlich eine Angst vor der Verwaltung. Die Ängste der Menschen sind mannigfaltig. In diesem Milieu ist es daher wichtig, ihnen jemanden vorzusetzen, dem sie vertrauen. Da ist in Deutschland ein großes Vakuum entstanden."

Flugblätter landen im Mülleimer – Vorbild England?

Und dieses Vakuum werde schnell gefüllt von Islamisten und natürlich auch von Fake News. "Da heißt es dann, im Impfstoff sei Schweinefleisch enthalten", so Tekkal. Wenn die Leute sich nicht abgeholt fühlen, liefen sie schnell den Falschen hinterher. Mit ihrer Organisation German Dream versucht Tekkal deshalb, in Dialog mit den jungen Menschen aus diesem Milieu zu kommen und ihnen den Zugang zu Werten wie Toleranz und Demokratie zu ermöglichen.

Hochhaussiedlung Am Kölnberg

Tekkal fordert Integrationslotsen für Problemviertel

"Mit Flugblättern erreicht man da nichts, die landen im Mülleimer", kritisiert Tekkal die bisherigen Maßnahmen der Länder und Kommunen. "Natürlich gibt es in diesen Vierteln auch Analphabeten. Die Menschen brauchen eine zielgerichtete Ansprache, wir müssen Integrationslotsen in die Problemviertel bringen. In England hat man bei der Impfkampagne die Imame der Moscheen miteinbezogen. Das steckt bei uns alles noch in den Kinderschuhen", kritisiert die 42-Jährige.

Zivilgesellschaftliche Akteure machen lassen

Deutschland habe in der Krise bisher keine Kommunikation gefunden, die alle treffe. "Wir brauchen eine multilinguale Aufklärungskampagne, bessere Ansprachen, man könnte Werbung schalten. Ich habe nichts gegen Uschi Glas und Günther Jauch, aber die stehen nicht für alle Teile dieser Gesellschaft", sagt sie.

Und wenn von Seiten der Regierung da zu wenig komme, dann sollten wenigstens den zivilgesellschaftlichen Akteuren keine Steine in den Weg gelegt werden, so Tekkal. "Wir brauchen einfach mehr Doing-Mentalität."

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