Eine bundeseinheitliche Regelung - das ist das Versprechen der Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder, die am Montag festlegten: Schluss mit der Quarantäne für ganze Klassen, wenn ein Kind mit Corona infiziert ist. Nur die Schülerinnen und Schüler, die im unmittelbaren Umkreis des infizierten Kinds sitzen, müssen in Quarantäne. Das ist genau das, was seit dem Ende der Sommerferien in NRW praktiziert wird - und nicht funktioniert. Das haben Westpol-Recherchen belegt.
Denn die letzte Entscheidung, wer in Quarantäne geschickt wird, liegt bei den Gesundheitsämtern vor Ort. Und da Kinder in der Schule nicht auf einem Platz verwurzelt sind wie die Eichen in einem Wald, sondern in der Pause, in der Mensa, beim Sport oder im Musikunterricht in immer neuen Konstellationen teils nah beieinander sind, müssen mitunter doch ganze Schulklassen in die häusliche Isolation. In NRW waren es bisher 14 Tage.
Neu: Freitesten nach fünf Tagen
Abweichend von der NRW-Regelung haben sich die Länderministerien darauf geeinigt, dass nach fünf Tagen ein Freitesten für die Kids in Quarantäne möglich sein soll.
Ab wann gilt das?
Aber wie schnell wird das umgesetzt? Hat die neue Vereinbarung bereits konkrete Auswirkungen für die Kinder, die aktuell wieder im erzwungenen Home-Schooling sind? Die jüngsten Zahlen aus dem Schulministerium weisen zum Stichtag 2. September 40.000 Kinder in Quarantäne aus - 10.000 mehr als in der Woche zuvor.
Aus dem Gesundheitsministerium hieß es, man sei, was die konkrete Umsetzung anbelangt, in der Abstimmung mit dem Schulministerium. Wahrscheinlich wird die Quarantäne auch am Dienstag bei der turnusmäßigen Kabinettssitzung besprochen. Wann was konkret beschlossen und wie umgesetzt wird, ist offen.
Weicht NRW von der bundesweiten Regelung ab?
Der FDP-Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, Christof Rasche, sagte dem WDR, das Ziel sei, "möglichst wenig Leute in Quarantäne zu schicken". Das infizierte Kind auf jeden Fall, die anderen sollten dann häufiger getestet werden.
Berlin und Baden-Württemberg seien mit der am Montag getroffenen Vereinbarung der Länderminister unzufrieden. NRW wolle nun abwarten, wie sich diese beiden Bundesländer entscheiden. Wenn mehrere Länder abweichen, so Rasche, würde auch NRW eine andere Regelung treffen.
Wie bereits zuvor von Schulministerin Gebauer (FDP) und Gesundheitsminister Laumann (CDU) angeregt, solle dann nur das mit Corona infizierte Kind in Quarantäne. Mit dieser Position konnten sie sich bei den Länderberatungen jedoch nicht durchsetzen. Die Gesundheitsämter, so Rasche, bräuchten dann klare Vorgaben.
SPD fordert tägliches Testen in der Klasse bei Infektionsfall
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jochen Ott, sagte am Dienstag: "Im Kern bleibt es bei dem Problem, dass die Kontaktpersonen eines infizierten Kindes nur schwer zu ermitteln sein dürften."
Die SPD fordert darum ein viel engmaschigeres Testen als es bislang Praxis ist: Im Falle einer Corona-Infektion müssten die Kinder einer Klasse, die nicht in Quarantäne geschickt werden, "für die Dauer von mindestens fünf Tagen jeden Tag einzeln getestet werden", forderte Ott.
Dieser Vorschlag könnte eine Brücke sein zu dem Vorschlag, mit dem angedachten Ein-Kind-Quarantäne-Modell der Landesregierung.
Grüne: Ende des Flickenteppichs nicht in Sicht
Sigrid Beer, bildungs- und schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion stellt fest: "Dass der Flickenteppich nun wirklich ein Ende hat, ist noch nicht abzusehen. Denn leider sind die nun beschlossenen Regeln nicht praxistauglich." Es werde weiter außer Acht gelassen, "dass Schülerinnen und Schüler nicht nur Sitznachbarn haben, sondern auch beim Sport und auf dem Pausenhof weitere Kontakte haben und auch beim Essen in der Mensa natürlich die Maske abnehmen." Auch Lerngruppen würden im Fachunterricht gemischt.
Die Verkürzung der Quarantäne aber begrüßen die Grünen. Ähnlich wie SPD-Mann Ott setzt auch Beer auf häufigeres Testen: "Tägliche Tests bringen mehr Sicherheit und ermöglichen eine raschere Reaktion. Mit Lollitests auch in weiterführenden Schulen wäre auch der Aufwand überschaubar."
VBE-NRW: Regelung kommt sehr spät
Stefan Behlau, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung in NRW, sagte dem WDR, die Regelung komme sehr spät, jetzt müsse man schauen, ob sie auch umsetzbar sei. "Wir haben ja die Erfahrung gemacht, dass die Gesundheitsämter sich an die NRW-Regelung auch nicht gehalten haben", so Behlau.
Dass die Gesundheitsämter am Ende entscheiden, wird auch nach der Länder-Vereinbarung zur Quarantäne so bleiben. Sie sei eine "Leitplanke" für die Ämter, so nannte es der Vorsitzende der Ressortrunde, der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).