Lockdown: Lockerungen erst nach Ostern?

Stand: 28.01.2021, 18:42 Uhr

Die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW sinkt weiter - auf 93,1. Endet der Lockdown bald? Oder gibt es erst ab Ostern Lockerungen? Hier die möglichen zeitlichen Szenarien.

Die Corona-Zahlen sinken - auch in NRW. Am Donnerstagmorgen lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 93,1. Am Vortag hatte der Wert noch bei 97,2 gelegen und war damit erstmals seit rund drei Monaten unter die 100er-Schwelle gerutscht.

In drei NRW-Kreisen ist die Kennziffer sogar unter 50 gesunken: In Coesfeld liegt er bei 49, in Borken bei 47,4 und in Münster sogar nur bei 33,6. Logisch, dass dadurch die Rufe nach baldigen Lockerungen lauter werden. Doch wie realistisch ist das? Die folgenden Modellrechnungen zeigen, wie sich das Infektionsgeschehen entwickeln könnte. Und auch, welche Gefahr die Corona-Virusmutationen bergen.

Uneinigkeit über Vorgehen

Was folgt daraus? Darüber ist sich die Politik noch uneins. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte am Dienstag, sobald die Corona-Pandemie es zulasse, müsse über mögliche Öffnungsschritte an den Schulen nachgedacht werden.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wiederum warnte erst am Mittwoch vor einer dritten Corona-Welle: "Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, über den Zeitpunkt einer Öffnung zu sprechen." Niemand könne heute sagen, was im Mai oder Juni geöffnet werden könne.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hingegen hat einen abgestuften Lockerungsplan vorgelegt. Er sieht vier Stufen vor, die sich an den bekannten Inzidenzstufen 100, 50 und 35 orientieren.

Wie geht es weiter?

Die große Frage ist, wie das Infektionsgeschehen sich weiter entwickelt. Wichtig dafür ist die Reproduktionszahl (R-Wert). Sie zeigt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Sicher ist: Je niedriger die Ansteckungsrate ist, desto schneller sinkt die 7-Tage-Inzidenz. Liegt der R-Wert unter 1 geht die Zahl der Infizierten mittel- bis langfristig zurück.

Daraus lassen sich Prognosen ableiten, wie lange der Lockdown dauern müsste, um dauerhaft einen Wert unter 50 zu erreichen. An Modellrechnungen kann man zeigen, wie sich die Inzidenz je nach Reproduktionszahl verändert.

Möglicher Verlauf mit der bekannten Coronavirus-Variante

Die folgende Grafik basiert auf Daten von Professor Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes. Demnach hätte NRW im Juni keine nennenswerten Neuinfektionen mehr, wenn die Reproduktionszahl dauerhaft bei 0,7 läge. Das Problem: Diese Modellrechnung zeigt die Entwicklung ohne die ansteckenderen Virusmutationen, die ja bereits in Deutschland angekommen sind.

Möglicher Verlauf mit der Mutante "B.1.1.7"

Die untere Grafik zeigt, welche Auswirkungen das Auftreten einer Mutation auf die obere Modellrechnung hat. Dafür hat Professor Lehr die Ausbreitung der Mutante "B.1.1.7" aus Großbritannien zugrunde gelegt.

Dabei hat er unter anderem die Annahmen getroffen, dass "B.1.1.7" 1,5-fach stärker übertragbar sei als die bisherige Virus-Variante.

Mit der Virusmutation zeigt sich ein völlig anderes Bild. Bleibt die Reproduktionszahl etwa auf dem jetzigen Niveau von 0,9, ergibt die Modellrechnung der Saarbrücker Forscher ab Ostern rasant steigende Zahlen, die 7-Tage-Inzidenz würde bis Anfang Juni auf knapp 300 steigen. Nur bei einem dauerhaft niedrigen Wert von 0,7 könnte auch mit der mutierten Virusvariante ein erneuter Anstieg der Inzidenz abgebremst werden.

Fazit: Der Lockdown sorgt derzeit für eine niedrigere Reproduktionszahl. Daher sinkt auch die 7-Tage-Inzidenz. Wird der Lockdown aufgehoben, könnte die Inzidenz rasch wieder steigen. Zudem bergen die Corona-Virusmutationen das Risiko, dass die Zahlen in wenigen Wochen erneut rasant steigen könnten. Fakt ist, die Virusmutationen sind längst in NRW angekommen.

Erst am Donnerstag wurden zahlreiche Fälle in NRW registriert: So wurde etwa das mutierte Coronavirus aus Großbritannien im Kreis Paderborn festgestellt. Auch in einem Dürener Alten- und Pflegeheim wurde bei zwei Bewohnern, zwei Pflegekräften und einer Besucherin die britische Virus-Variante nachgewiesen. Die Mutation aus Südafrika wurde zudem in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung in Viersen nachgewiesen.

Der Wunsch nach Lockerungen ist groß in der Bevölkerung. Aber der Blick auf die Zahlenmodelle macht deutlich, dass die Pandemie in Deutschland noch lange nicht unter Kontrolle ist.

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