Bundesweit steigen die Coronazahlen wieder an. Mit 413 Neuinfektionen an einem Tag und der schlechtesten Entwicklung im Sieben-Tage-Zeitraum aber liegt NRW im Vergleich mit den anderen Bundesländern weit an der Spitze. Am Mittwoch vermeldete das Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit 1.226 neue Infektionen im Vergleich zum Vortag - der höchste Wert seit Anfang Mai.
In Hagen und Duisburg sind in den vergangenen sieben Tagen laut RKI knapp über 25 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner gezählt worden. Ab 50 können neue Regeln zur Eindämmung des Ansteckungsrisikos verhängt werden.
Laumann: "NRW mit niedrigerer Dunkelziffer"
NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gibt sich dennoch gelassen. "Das ist keine Katastrophe, aber ein Punkt wo wir genau aufpassen müssen", sagte er am Mittwoch dem WDR. Durch die hohe Zahl der Testungen in NRW - alleine über die Kassenärztlichen Vereinigungen würden derzeit jede Woche 150.000 Menschen getestet - verringere sich hierzulande die Dunkelziffer.
Jede vierte Neuinfektion gehe derzeit auf Reiserückkehrer zurück. An den Flughäfen wurden zuletzt rund zwei Prozent der Rückkehrer positiv getestet. "Der Industriegeschichte" des Landes sei zuzuschreiben, dass es in NRW besonders viele aus dem Risikoland Türkei seien - anders als in anderen Bundesländern.
Grüne kritisieren Konzeptlosigkeit
"Die Landesregierung taumelt durch die Krise", kritisiert dagegen der Co-Chef der Grünen in NRW, Felix Banaszak. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) reagiere immer erst dann, "wenn es fast schon zu spät ist". Die Landesregierung betrachte immer nur die Ereignisse der vergangenen Wochen, anstatt zu erkennen, "dass daraus auch Konsequenzen für die Zukunft erwachsen sollten".
Mit Blick auf die spät begonnenen Testungen an den Flughäfen "wäre eine Woche früher besser gewesen", räumt Laumann ein. Doch den Generalvorwurf der Grünen weist er ansonsten zurück: So seien die Regelungen zum Schulstart doch "Wochen vorher festgelegt worden". Zudem sei die gesamte Pandemieentwicklung nunmal weltweit dynamisch. Da müsse man auf Entwicklungen reagieren, könne "nichts statisch vorgeben".
Lockerungen kein Grund für Anstieg
Mit den bundesweit oft kritisierten Lockerungen in NRW hätten die nun steigenden Infektionszahlen und NRWs Spitzenposition dabei aber nichts zu tun, meint Laumann entschieden. Vielmehr liege es daran, dass NRW mit dem Ruhrgebiet und den größeren Städten am Rhein das größte Ballungsgebiet Europas sei. Bundesländer mit wenigen großen Städten dagegen hätten die niedrigsten Coronaraten.
Und in Anspielung auf die wiederholten Sticheleien aus der bayerischen Staatskanzlei in Richtung NRW Landesregierung: "Es ist schon ein Unterschied, ob man Gesundheitsminister im größten Ballungsgebiet Europas ist oder in einem ländlich strukturierten Bundesland."
Schulschließungen vermeiden
Von einer "zweiten Welle" aber oder gar einem zweiten Lockdown sieht Laumann NRW "meilenweit" entfernt. "Und ich glaube auch nicht, dass es jemals wieder zu einem Lockdown wie im Frühjahr kommen wird". Inzwischen habe man viel mehr Erfahrung, Wissen, Beatmungsplätze, medizinische Ausrüstung und bessere Meldesysteme zu freien Kapazitäten in den Krankenhäusern. Selbst neue Ausbrüche dürften auf keinen Fall Schulschließungen zur Folge haben.