Steigende Infektionszahlen: Müssen wir uns Sorgen machen?

Stand: 13.08.2020, 11:10 Uhr

Die Neuinfektionen haben den höchsten Stand seit Mai erreicht. Sind Urlauber dafür verantwortlich? Wie ist die Lage in NRW? Fragen und Antworten.

Von Andreas Poulakos

Ist das schon die gefürchtete "zweite Welle"? Am Mittwoch haben die deutschen Gesundheitsämter laut Robert Koch-Institut (RKI) 1.226 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet. Höher lag der Wert zuletzt am 09. Mai mit 1.251 registrierten Neuinfektionen.

Bisher ist Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern relativ unbeschadet durch die Pandemie gekommen. Ist diese Erfolgsgeschichte nun am Ende?

Die Infektionszahlen in Deutschland steigen wieder. Droht der Kontrollverlust?

Das RKI nennt den Trend zwar "beunruhigend" – aber außer Kontrolle sind die Infektionszahlen deshalb noch lange nicht. Zum Vergleich: Anfang April waren täglich mehr als 6.000 Neuinfektionen bekannt geworden. Auch deshalb sei der Begriff der "zweiten Welle" derzeit eher unpassend, sagte der Bonner Virologe Hendrik Streeck dem Portal "t-online.de". "Dauerwelle" sei treffender, denn das Infektionsgeschehen sei nie ganz abgeflaut.

Hingegen sagte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dem WDR: "Aus meiner Sicht hat die 'zweite Welle' begonnen." Auch weil es sich nicht mehr vorwiegend um regional begrenzte Ausbrüche ("Hotspots") handle. Das Virus könne überall auftreten.

Was Nordrhein-Westfalen betrifft, gibt es allerdings Grund zur erhöhten Wachsamkeit. Denn NRW übertrifft am Donnerstag mit 535 Neuinfektionen und der schlechtesten Entwicklung im Sieben-Tage-Zeitraum alle anderen Bundesländer. Bei der Anzahl der Fälle pro 100.000 Einwohner sieht es nicht ganz so dramatisch aus. Allerdings liegt NRW dabei immer noch über dem bundesweiten Durchschnitt.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) plädiert angesichts der Zahlen für Vorsicht. Aber: "Wir testen in NRW derzeit allein über die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Woche über 150.000 Menschen", so Laumann weiter. Das trage dazu bei, die Dunkelziffer aufzuhellen. Eine Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen sei aktuell nicht vorgesehen, Lockerungen allerdings auch nicht.

Sind die Reiserückkehrer für die steigenden Zahlen verantwortlich?

Nur zum Teil. Zwar ist laut NRW-Gesundheitsministerium derzeit etwa jede vierte Corona-Neuinfektion im Land auf Reiserückkehrer aus dem In- und Ausland zurückzuführen. Aber der wahrscheinlichste Ort, sich anzustecken, bleibt immer noch Deutschland. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) haben sich ein Großteil der Menschen "bei Familienfeiern, am Arbeitsplatz oder in Gemeinschaftseinrichtungen" infiziert.

Bei einigen Reiseländern ist das Infektionsrisiko von Urlaubern allerdings höher als bei anderen. Vom 13. Juli bis zum 09. August wurden zum Beispiel 1.096 Rückkehrer aus dem Kosovo positiv getestet. Es folgen die Türkei mit 501 Fällen und Kroatien mit 260. Mehr als jeweils 100 Infizierte brachten das Virus aus Serbien, Bulgarien, Bosnien-Herzegoniwa, Rumänien, Polen und Spanien mit.

Ist das Gesundheitssystem auf einen neuen großen Ausbruch vorbereitet?

Im Augenblick ja. Laut Deutscher Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) sind an den erfassten 1.274 Klinikstandorten aktuell nur 71 Prozent der insgesamt 30.390 Intensivbetten belegt. Rund 8.800 Plätze stehen für Corona-Erkrankte zur Verfügung.

Im Augenblick liegen demnach nur 234 Covid-19-Patienten auf der Intensivstation, 139 von ihnen müssen beatmet werden. Dass so wenige Corona-Patienten im Krankenhaus behandelt werden müssen, könnte mit dem Alter der Infizierten zusammenhängen. Denn seit Ende April ist das Durchschnittsalter der Infizierten kontinuierlich gesunken: von 50 auf aktuell 34 Jahre. Schwere Verläufe bei jungen Patienten sind zwar nicht ausgeschlossen, aber doch ziemlich selten.

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