Corona-Infektionszahlen: Warum fällt das Einschränken der Kontakte so schwer?

Stand: 26.10.2020, 13:47 Uhr

Angesichts der Corona-Infektionszahlen appelliert die Politik an die Menschen, Kontakte radikal einzuschränken. Doch viele haben genug von der sozialen Distanz. Was tun?

Die Lage ist ernst - schon wieder. In ihrem Video-Podcast vom Wochenende rief Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bevölkerung zu mehr Disziplin auf. "Das Gebot der Stunde heißt für uns alle: Kontakte reduzieren. Viel weniger Menschen treffen."

Am Sonntagabend bei "Anne Will" zeigte sich auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) besorgt. Er sprach davon, dass "sehr harte Wochen vor uns liegen". Das Verhalten der Menschen müsse sich sofort ändern. Mindestens in den nächsten "zwei bis drei Wochen" müsse jeder seine Kontakte einschränken. Sonst drohe der Kontrollverlust.

Angst hat nachgelassen

Anders als noch im Frühjahr ist die Sorge offenbar groß, dass solche Appelle wirkungslos verhallen. Denn die individuelle Angst vor Ansteckung und Krankheit hat im Verlauf der Corona-Krise stark nachgelassen. Das ist das Ergebnis der Langzeit-Studie "Cosmo" von der Universität Erfurt, Robert-Koch-Institut und anderen Forschungseinrichtungen.

Seit Monaten untersuchen die Forscher mit regelmäßigen Umfragen die "psychologische Lage" in der Pandemie. Besonders interessiert sind die Wissenschaftler wie die Befragten ihr eigenes Infektionsrisiko einschätzen. Denn das "gefühlte Risiko" sei der wichtigste Anhaltspunkt dafür, ob und wie diszipliniert sich Menschen an die Corona-Regeln halten und gesetzliche Einschränkungen akzeptieren.

Deutliche Gewöhnung an die Situation

Zwar nehme aktuell das Risikobewusstsein der Befragten tendenziell zu, heißt es im aktuellen Cosmo-Bericht. Bei vielen habe sich aber auch eine deutliche Gewöhnung an die Ausnahmesituation eingestellt. Solche Effekte seien völlig normal, heißt es. Denn Menschen seien psychologisch nicht darauf eingestellt, einen hohen Angstpegel dauerhaft aufrecht zu halten.

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Die sogenannte "Pandemiemüdigkeit" mache sich deutlich bei Menschen unter 30 bemerkbar, besonders bei jungen Männern. Ihre Risikowahrnehmung lasse nach, sie informierten sich weniger über die Infektionslage und seien kaum noch bereit, ihr soziales Leben weiterhin einzuschränken.

Keine Angst-Kampagnen

Von Appellen, die darauf abzielen, Angst unter der Bevölkerung zu schüren, raten die Forscher dringend ab. Dies könne vor allem bei jungen Menschen zu Trotzreaktionen führen. Besser sei eine emotionale Herangehensweise, etwa ein Aufruf zu mehr Rücksicht auf die besonders gefährdeten Gruppen - zum Beispiel Alte und Kranke.

Ruf nach einer neuen Sichtweise

Auch die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen bezweifelt, dass ein Fokus auf strengere Zwangsmaßnahmen die Akzeptanz der Corona-Regeln verbessert. Natürlich müsse man an die Verantwortlichkeit des Einzelnen appellieren, erklärte Woopen dem WDR am Montag. Gleichzeitig müsse man aber deutlich machen, dass es trotz Krise noch viele Freiheiten gibt. "Wir können in die Restaurants gehen, aber halt unter anderen Regeln, als wir uns das wünschen dürften." Mit einer "Kultur der Ermöglichung" könne man positive Signale setzen, mit denen die Menschen besser durch die Krise kommen.

Befürchtungen bestätigen sich

Dass es immer schwieriger wird, Menschen zur freiwilligen Einschränkung ihres sozialen Lebens zu bewegen, je länger die Krise andauert, hatten Wissenschaftler schon länger befürchtet. Die Soziologin vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI), Martina Franzen, warnte bereits im Sommer, dass in einer zweiten Corona-Welle das Gefühl der sozialen Isolation intensiver ausfallen könne.

Die psychische Belastung sei enorm, sagte Franzen. "Davon sind Jugendliche am stärksten betroffen. Denn Jugendliche leben Sozialität oft ganz anders als beispielsweise ein älteres Ehepaar, das zurückgezogen lebt."

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