Heute vor 80 Jahren hat die Rote Armee das letzte Konzentrationslager Auschwitz befreit. Allein dort starben mehr als 1,1 Millionen Menschen. Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten mehr als sieben Millionen Menschen. Auschwitz wurde zum Synonym für den Holocaust.
Eine neue Umfrage sagt aber: Jeder zehnte Mensch in Deutschland unter 30 weiß gar nicht, was das war. Viele Jugendliche und junge Menschen wissen auch nicht, ob ihre Vorfahren – die Opas oder Ur-Opas etwa – bei den Nazis waren, zu deren Opfern gehörten oder etwa im Widerstand aktiv waren.
Die Suche nach Vorfahren gleicht oft der Suche nach der Nadel in einem Heuhaufen. Wo also anfangen und wie vorgehen? Wir haben mehrere Möglichkeiten zusammengestellt:
- Familie: Zu Beginn der Recherche solltet ihr euch in der eigenen Familie umhören. "Alte Fotoalben können erste Hinweise über diese Menschen geben, und auch betagte Familienmitglieder können oft noch etwas zu ihnen sagen", sagt Ahnenforscher Christian Hoske.
Wenn euer (Ur-)Opa noch lebt, ist es natürlich am besten, ihn direkt zu fragen. Aber: Seid dabei behutsam. Es könnte seelische Wunden aufreißen.
- Bundesarchiv: Die meisten Unterlagen aus der NS-Zeit liegen im Bundesarchiv in Berlin. Dazu zählen vor allem die Zentrale Mitgliederkartei der NSDAP mit rund 12,7 Millionen Karteikarten, 1,3 Millionen Parteikorrespondenzen sowie tausende Dokumenten der SS und der SA.
Dazu kommen etwa 75 Kilometer Meter Akten- und Karteimaterial der Wehrmacht, darunter die Zentrale Personenkartei mit Angaben über etwa 18,5 Millionen Angehörige. Wer diese einsehen oder Infos daraus haben will, kann sie kostenlos per Mail oder Post anfragen.
Je konkreter die Anfrage, desto besser. Aber Achtung: "Auskunft beim Standesamt oder Archiven erhält nur, wer ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, etwa wenn er mit der betreffenden Person in direkter Linie verwandt ist", sagt Ahnenforscher Hoske.
Das Interesse an Dokumenten aus der NS-Zeit im Bundesarchiv sei seit Jahren hoch, sagt Elmar Kramer, Pressesprecher des Bundesarchivs. Knapp 75.000 Anfragen gingen im Jahr 2023 ein. "Die überwiegende Zahl waren personenbezogene Anträge, die zum Beispiel bei der Aufklärung der Familiengeschichte helfen."
- Landesarchiv NRW: Aufschluss über die Rolle von Angehörigen innerhalb des NS-Regimes geben auch die Entnazifizierungsakten. Dort ist die Mitgliedschaft in der NSDAP oder anderen parteinahen Organisationen aufgelistet. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sich in NRW mehr als 800.000 Menschen "entnazifizieren" lassen, um beispielsweise erneut verbeamtet zu werden.
Von den mehr als 1,15 Millionen Entnazifizierungsakten, die im Landesarchiv Duisburg liegen, sind etwa 694.000 digitalisiert. Wer etwa Dokumente zur eigenen Familie sucht, kann unter archive.nrw.de recherchieren.
- Vereine: Es gibt auch Vereine, die sich auf die Familienforschung spezialisiert haben, unter anderem die Westfälische Gesellschaft für Genealogie und Familienforschung sowie die Westdeutsche Gesellschaft für Familienkunde. Ebenso bieten viele Heimatvereine in NRW wie der in Greven ehrenamtlich Hilfe an:

Ahnenforscher Christian Hoske
- Internet-Datenbanken: Christian Hoske empfiehlt die Plattform "Ancestry", die zahlreiche Quellen, Kirchenbücher und Personenstandsregister und vieles mehr biete. Zugleich warnt der Ahnenforscher, Daten ohne Quellenangaben zu übernehmen. Auf "Ancestry" gebe es viele frei zugängliche private Familienstammbäume, die mitunter falsche Angaben enthielten.
- Online-Gräbersuche: Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge hat rund 5.395.000 Datensätze auf seiner Plattform "Gräbersuche Online" eingepflegt. Dort findet sich, was über die Kriegstoten und Vermissten des Ersten und Zweiten Weltkrieges bekannt ist.
Wer ein paar Informationen eingibt, kann zum Beispiel erfahren, wo das Grab des Opas ist, zumindest dann, wenn dieser auf einer Kriegsgräberstätte liegt. Die Erfassung der Daten ist noch nicht abgeschlossen.
Wo bekomme ich Infos über die NS-Opfer?
Falls ihr vermutet, dass jemand aus eurer Familie möglicherweise Opfer der Nationalsozialisten war, dann könnt ihr auch bei den Bundes- oder Landesarchiven anfragen. Auch die internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat in ihrer Datenbank Namen und biographische Angaben von Millionen Opfern des Holocaust gesammelt.
Umfangreich sind auch die "Arolsen Archives" - ein Archiv und Dokumentationszentrum über die NS-Verfolgung und befreite Überlebende. Mehr als 30 Millionen Dokumente sind da gespeichert. Ihr könnt sie online über eine Suchmaske recherchieren oder eine Suchanfrage starten.
Die "Stolpersteine NRW" des WDR erzählen die Geschichten von mehr als 17.000 Opfern. Der WDR hat sie recherchiert und digital zugänglich gemacht: mit Texten, Fotos, Audios, Illustrationen und Augmented-Reality-Elementen. "Stolpersteine NRW" ist als App auf dem Smartphone und am PC/Laptop im Desktop-Browser zu finden.
Über dieses Thema haben wir am 27.1.2025 auch im Hörfunk berichtet: WDR 5 Morgenecho ab 06.05 Uhr.
Unsere Quellen:
- Bundesarchiv Berlin
- Landesarchiv NRW
- Nachrichtenagentur KNA
- Nachrichtenagentur epd
- MEMO-Jugendstudie 2023
- WDR Stolpersteine