Corona-Lockdown: "Fast jedes zweite Kind hat deutlich zugenommen"

Stand: 16.05.2021, 14:20 Uhr

Der Winter-Lockdown dauerte für Kinder eine gefühlte Ewigkeit. Viele bewegten sich weniger und verbrachten viel Zeit alleine. Das hat zum Teil gravierende Folgen, sagt eine Kinderärztin.

Zwischen November und Ostern, teilweise noch länger, sind Fußballtraining und anderer Vereinssport für Kinder wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Einige Monate lang fiel dann wegen geschlossener Schulen auch noch der Sportunterricht aus. Die Kinderärztin Simin Fakhim-Haschemi aus Köln-Porz sieht jetzt, was dieser zweite Lockdown mit einigen Kindern gemacht hat.

WDR: Wie geht es den Kindern in ihrer Praxis?

Simin Fakhim-Haschemi: "Wir machen das seit 21 Jahren hier in der Praxis und ich habe hier schon einiges gesehen, aber so schlimm wie jetzt war es noch nicht. Also sowohl die psychischen Auffälligkeiten als auch die körperlichen Beschwerden, wie etwa gravierende Gewichtszunahmen."

WDR: Was bedeutet der fehlende Sportunterricht und auch der fehlende Vereinssport für die Kinder?

Fakhim-Haschemi: "Der Vereinssport ist aus zweierlei Sicht wichtig für die Kinder: Zum einen, um sich zu bewegen und Übergewicht vorzubeugen. Zum anderen aber auch dieses Gemeinschaftsgefühl. Wir haben ja auch Einzelkinder und da ist es ganz, ganz wichtig, dass die Freunde um sich haben. Und wir sehen bei fast bei jedem zweiten Kind eine deutliche Gewichtszunahme. Wir haben hier einen Jugendlichen bei uns in der Praxis, der hat im letzten Jahr, seit Corona-Beginn, an die 20 Kilo zugenommen. Er hatte sich zum Boxen angemeldet, aber der Kurs hat dann auch nicht stattgefunden. Er sitzt einfach den ganzen Tag zu Hause am Computer. Wir haben hier nicht nur das Problem des Übergewichts, sondern auch der Mediensucht."

WDR: Also geht es auch an die mentale Gesundheit der Kinder?

Fakhim-Haschemi: "Ja, wir haben ganz viele Kinder mit psychischen Auffälligkeiten. Wir haben Kinder, die Tic-Störungen entwickeln, wir haben Kinder mit schweren Depressionen bis hin zum suizidalen Versuch. Wir haben Kinder, die eine Magersucht entwickeln und wir haben mehr Zwänge bei Kindern, insbesondere bei der Nahrungsaufnahme. Zum Beispiel Kinder, die nur noch verpackte Sachen essen, da braucht die Mutter gar keine losen Äpfel zu kaufen. Die essen nur noch Sachen, die in Plastik-Folie eingeschweißt sind, weil sie Angst haben, sich infizieren zu können. Wir haben insgesamt so viele psychische Störungen wie noch nie."

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