Warum entwickeln sich die Corona-Infektionszahlen in NRW so unterschiedlich?

Stand: 09.12.2020, 06:00 Uhr

Forscher haben analysiert, warum benachteiligte Gegenden inzwischen stärker vom Coronavirus betroffen sind als reichere. Einige überraschende Erkenntnisse sind auch für NRW spannend.

Von Lena Sterz

Im März und April waren es vor allem bessergestellte Gegenden, die hohe Corona-Infektionszahlen hatten. "Das ist nach allem, was wir wissen, auf den "Ischgl-Effekt" zurückzuführen, nämlich die Tatsache, dass diese Infektionen sozusagen weitgehend durch Urlauber und Urlauberinnen aus den Alpen importiert worden," erklärt Jan Paul Heisig, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheit am Wissenschaftszentrum Berlin. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts hat analysiert, dass sich das schon Mitte Mai geändert hat und danach eher benachteiligtere Kreise und Städte betroffen waren.

Legt man für NRW zum Beispiel die Infektionszahlen und Arbeitslosigkeitszahlen nebeneinander, zeigt sich, dass Regionen mit niedriger Arbeitslosigkeit (Münster, Kreis Coesfeld, Kreis Borken, Kreis Olpe, Hochsauerlandkreis) häufig niedrigere Infektionszahlen haben als Regionen mit höherer Arbeitslosigkeit (z.B. Hagen und Wuppertal). Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wie den Kreis Lippe, der aktuell hohe Infektionszahlen und eine eher niedrige Arbeitslosenquote hat. Für Deutschland gibt es aus Datenschutzgründen noch keine Studien, die klare Zusammenhänge zwischen Einkommen, Bildung und dem Infektionsrisiko Einzelner aufzeigen. Die Erkenntnisse aus anderen Ländern lassen sich aber zum Teil übertragen.

Was weiß man dazu, wie Einkommen, Status und Infektionsrisiko zusammenhängen?

  • Mehr unterwegs sein: Mobilitätsdaten zeigen, dass Menschen in ärmeren Gegenden auch im Lockdown mehr unterwegs waren, sagt Soziologe Jan Paul Heisig: "Sehr schwierig ist da die Frage zu klären, wie viel davon freiwillig ist." Teilweise läge das am Beruf und daran, dass Menschen auf Busse und Bahnen angewiesen sind.
  • Andere Jobs: Eine britische Studie hat ein höheres Infektionsrisiko für Menschen, die in Supermärkten, im Pflege-Bereich, in Hotels und Gaststätten und im Sicherheitsgewerbe arbeiten, analysiert. Viele besser Bezahlte können dagegen im Homeoffice bleiben.
  • Schwächeres Immunsystem: Eine andere Studie sei zu dem Schluss gekommen, dass ärmere Menschen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben sich bei Kontakt mit dem Coronavirus tatsächlich zu infizieren, sagt Forscher Jan Paul Heisig. Man vermute das liege daran, dass sie im Schnitt ein schlechteres Immunsystem, zum Beispiel aufgrund von chronischem Stress haben.
  • Mehr Enge: Eine amerikanische Studie zeigt, dass ärmere Menschen häufiger an engeren Orten sind als Menschen in reicheren Gegenden, etwa in kleineren Wohnungen, sagt Soziologe Jan Paul Heisig. Er geht davon aus, dass man das zum Teil auch auf Deutschland übertragen könne - etwa, wenn Discounter voller sind als Bio-Supermärkte und günstige Imbisse voller als teure Restaurants.

Diese drei Dinge könnten helfen:

  • Gute Schutzausrüstung, z.B. FFP2-Masken, für Menschen mit vielen Kontakten und für die, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind.
  • Mehr Home-Office-Möglichkeiten für alle.
  • Mehr Aufklärung über das Coronavirus in einfacher Sprache, in Fremdsprachen und in Social Media.

Aktuelle TV-Sendungen