Hotspot Fleischindustrie: Bei Krankmeldung droht Kündigung

Stand: 13.05.2020, 06:00 Uhr

  • Arbeitsverhältnisse in Fleischindustrie durch Corona im Fokus
  • Angestellte klagen über schlimme Verhältnisse
  • "Durch Corona wird sich nichts ändern"

Von Isabell Zillmer

Der WDR hat darüber mit Szabolcs Sepsi von der DGB-Beratungsstelle Faire Mobilität in Dortmund gesprochen. Er berät Menschen aus Mittel- und Osteuropa. Denn bis zu 90 Prozent der Belegschaft in der industriellen Fleischproduktion kommt von Subunternehmen – die Mitarbeiter stammen aus Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn.

WDR: Herr Sepsi, Sie sind selbst ganz nah dran. Die betroffenen Mitarbeiter in der Fleischindustrie wenden sich mit ihren Problemen an Sie. Was läuft dort gerade ab?

Sepsi: Die Menschen fühlen sich unwohl und sind wütend über die Zustände. Sie leben in den Massenunterkünften ganz eng aufeinander. In einer Dreizimmerwohnung wohnen oft zehn Menschen gleichzeitig. Sie teilen sich eine Küche und ein Bad. Die hygienischen Bedingungen sind sehr fraglich. Bei solchen Zuständen ist die Gefahr natürlich groß, dass ein an Corona-Virus erkrankter Bewohner alle anderen auch ansteckt.

WDR: Mit welchen Problemen wenden sich die Menschen an Ihre Kontaktstelle?

Sepsi: Gerade in der Corona-Krise klagen die meisten über die vielen unbezahlten Überstunden. Viele haben keine Lust mehr und sagen: „Wenn die Grenzen wieder öffnen, wollen sie wieder weg und sich einen anderen Job suchen.“ Wir kennen Betriebe, die im Moment sieben Tage die Woche durcharbeiten und das bis zu 14 Stunden am Tag. Das Ganze ist ein Knochenjob. Wenn dann mal jemand krank wird, drohen die Subunternehmer ganz schnell mit einer Kündigung.

WDR: Warum traut sich kaum einer der Betroffenen, mit den Medien darüber zu sprechen?

Sepsi: Die Leute stehen unter Druck. Generell gilt: Wer sich wehrt, wird gekündigt. Sie haben ganz einfach Angst ihren Job zu verlieren. In diesem Subunternehmer-System wird eine „Hire and Fire“-Politik geführt und das führt zu einer riesigen Mitarbeiter-Fluktuation.

WDR: Gibt es solche Massenunterkünfte und schlechte Arbeitsbedingungen auch in anderen Branchen?

Sepsi: Teilweise ja. Ähnliche Zustände gibt es auch in der Logistik und Gruppenunterkünfte gibt es auch in der Landwirtschaft, wobei es da jetzt auch Auflagen gibt, um diese zu entzerren, aber Wanderarbeiter arbeiten häufig in Massenunterkünften.

WDR: Was sind die Hauptprobleme und was muss sich ändern?

Sepsi: Der Ursprung des Problems ist das kostengünstige Subunternehmer-System. Die Schlachthöfe beschäftigen die Mitarbeiter nicht selbst, sondern beauftragen Subunternehmer und die schieben die Leute ständig hin und her. Der einzige Ausweg ist, dass die Schlachthöfe die Zusammenarbeit mit den Subunternehmern beenden und die Mitarbeiter selbst beschäftigen. Mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag können die Mitarbeiter dann auch eine eigene Wohnung anmieten und die Massenunterkünfte wären Geschichte.

WDR: Glauben Sie, dass sich die Situation bald bessert?

Sepsi: Ich habe die Befürchtung: Nein. Sobald die Corona-Fälle aus den Medien verschwinden, wird wieder nichts gemacht und mittlerweile ist es offensichtlich, dass die Unternehmen in der Fleischindustrie das Problem ignorieren. Deshalb ist die Politik gefragt.

Infos zu Szabolcs Sepsi:

32 Jahre, wohnt in Dortmund. Er ist in Rumänien geboren und dort aufgewachsen. In Ungarn hat er Politik und Wirtschaft studiert und anschließend für verschiedene NGO’s (Nichtregierungsorganisationen "Non-Profit-Organisationen") gearbeitet. 2013 kam er nach Dortmund und hat die DGB Beratungsstelle Faire Mobilität mitaufgebaut. Seit Jahren setzt er sich für faire Arbeitsbedingungen ein.

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