Fahrlehrer Marc Höcker

Der Fahrlehrer: "Wir lieferten Lebensmittel - und sahen so viel Elend"

Stand: 01.06.2020, 08:38 Uhr

  • Fahrlehrer starten Lieferdienst in der Corona-Krise
  • Versorgung von Bedürftigen in der Fahrschule
  • "Fahrlehrer brauchen Action"
  • Hilfe auch nach Corona über neu gegründeten Verein

Mein Job in der Corona-Krise ist es, Bedürftigen unter die Arme zu greifen. Los ging es am 17. März. Da waren alle Fahrschulen in Deutschland wegen Corona geschlossen worden.

Fahrlehrer brauchen Action

Ich habe eine Fahrschule mit elf Mitarbeitern. Wir als Fahrlehrer sind es ja gewohnt, den ganzen Tag Action zu haben. Keiner von uns hätte sich vorstellen können, dass wir über Wochen nur zu Hause rumgammeln.

Also haben wir es angepackt und gesagt: "Wir gründen einen Gratis-Lieferdienst, für Menschen, die wegen der Corona-Pandemie nicht einkaufen wollen oder können."

Und dann ist da, auch durch Facebook, etwas ganz Großes draus entstanden.

Zu den Lebensmittel-Lieferungen sind noch Spenden von Leuten und Märkten dazugekommen, die wir dann auch verteilt haben. Es gab auch ganz schnell einen Gabenzaun, was ich persönlich aber aus hygienischen Gründen nicht so gut fand. Eine Firma hat uns dann einen Baucontainer zur Verfügung gestellt, in dem wir sammeln konnten.

Die Bedürftigen-Hilfe übernommen

Wir haben plötzlich nicht mehr nur den Lieferservice gemacht, sondern auch die Bedürftigen-Hilfe. Wir haben auch die Arbeit der Tafel übernommen, weil die Tafel ja in Bünde auch die Arbeit eingestellt hatte.

Zu Spitzenzeiten hatten wir ungefähr 70 bis 80 Einkaufsfahrten pro Tag und ungefähr 50 Besucher in der Fahrschule, die Lebensmittel und Co. bei uns abgeholt haben.

Ich hätte vorher nie gedacht, dass es bei uns in Bünde so viel Elend gibt.

Er sagte: "Ich habe nichts"

Ich kann mich an ein Telefonat erinnern, da war ein Herr, 35 Jahre alt, der am Telefon sagte: "Ich habe nichts." Da habe ich gesagt: "Definiere mal nichts." Und dann sagte er, er sitze im Rollstuhl, sei querschnittsgelähmt, würde sonst immer vom Pflegedienst betreut werden. Aber der, hatte ja seine Arbeit eingestellt.

Nach der Lebensmittellieferung kam mein Fahrlehrer dann zu mir  und sagte: "Marc, der Junge hat nicht mal ein Bett. Der wuppt sich abends von seinem Rollstuhl in den Sessel und schläft dann sitzend."

Der Mann saß da und war am Weinen

Ich habe sofort einen Freund angerufen, der Boxspring-Betten baut. Der hat ein Bett aus seiner Ausstellung abgebaut. Wir haben das Bett abgeholt, es in den dritten Stock getragen, aufgebaut - und der junge Mann saß da und war am Weinen.

Wir machen weiter!

Im Moment geben wir in der Fahrschule immer noch Lebensmittel und Bekleidung aus. Wir haben vor ein paar Wochen auch einen Verein gegründet, der heißt "Bünder für Bünder in der Not e.V.“

Über den Verein wollen wir die Hilfe auch nach Corona am Laufen halten. Aber wir müssen die Warenausgabe jetzt leider in ein Vereinsheim umziehen lassen, weil ich die Räume wieder für die Fahrschule brauche.

Marc Höcker

  • 48 Jahre alt
  • aus Bünde
  • Fahrlehrer mit eigener Fahrschule
  • hilft Bedürftigen

Protokolliert von Sabine Schmitt

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