#nachCorona: Digitalpakt-Geld für Schulen nur zur Hälfte abgerufen
Stand: 01.06.2021, 06:00 Uhr
Schüler-Tablets und bessere Internetverbindungen – in der Pandemie stellen Bund und Land Millionen für die Digitalisierung der Schulen zur Verfügung. Einige Mittel bleiben aber liegen.
Von Martina Koch, Peter Schneider und Cengiz Ünal
Gesamtschule 3.0 – Das ist die Vision von Frank Stewen. Der Schulleiter der Gesamtschule Kamen gehört zu den Pionieren des digitalen Unterrichts. Die Idee: Die Lehrkraft läuft mit dem Tablet durch die Klasse, moderiert die Arbeit von Schüler-Lerngruppen. "Wir nehmen uns als Lehrer zurück." Er wolle den Unterricht kooperativ gestalten, Fächer vernetzen, so Stewen.
Statt grüner Tafel und Kreide – ein digitales Activeboard und gutes WLAN. So sieht es jetzt schon an dieser Gesamtschule aus. Kamen hat das als Schulträger ermöglicht, aber bis Ende April ohne Mittel aus dem Digitalpakt.
Abgerufene Mittel aus dem Digitalpakt
Dem WDR liegen aktuell Zahlen aus dem Schulministerium vor. Bis Ende April haben 284 von 396 Kommunen Mittel aus dem Digitalpakt beantragt. Das sind 72 Prozent – eine deutliche Steigerung im Vergleich zu September. Insgesamt liegen dem NRW-Schulministerium aber nur Anträge über 376 Millionen Euro vor - das sind nur 38 Prozent des zur Verfügung stehen Gesamtbudgets.
Bei einigen Kommunen sind die beantragten Summen im Vergleich zu September gesunken. In der Zwischenzeit seien Anträge angepasst oder zurückgezogen, überarbeitet und neu eingereicht worden, erklärt das Schulministerium.
Bielefeld, Borken oder Düsseldorf haben inzwischen ihren Anteil komplett beantragt. Mehr als ein Viertel der Kommunen aber gar nichts. Dazu gehört auch Gütersloh.
Zu viele Fördertöpfe und zu viel Bürokratie
So ein Antrag sei unheimlich zeitaufreibend, begründet der Beigeordnete für Schule Henning Matthes, warum die Stadt sich das Digitalpakt-Geld noch nicht geholt hat. Er wünscht sich einfachere Förderbedingungen. Gütersloh hat wie andere Kommunen auch deshalb erstmal andere Förderprogramme ausgeschöpft. Für den Digitalpakt muss ein schlüssiges Konzept erstellt werden. "Und das wollen wir nicht nur auf dem Papier", so Matthes. Bis Jahresende will Gütersloh die 2,8 Millionen Euro aus dem Digitalpakt abrufen – für WLAN an den Schulen zum Beispiel. "Kein Euro bleibt liegen", verspricht der Beigeordnete.
Schulministerium stellt Erklärvideo ins Netz
Die Probleme sind inzwischen auch im NRW-Schulministerium erkannt worden. Mit einem Erklärvideo versucht man den Antragstellern zu helfen. Damit wolle man den Kommunen zeigen, wie es sich in Bezug auf das pädagogische Konzept, was erstellt werden muss und in Bezug auf das Beantragen verhalte, erklärt die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). "Ich bin da guter Dinge.“, so Gebauer, in den letzten Woche sei deutlich mehr beantragt worden.
Die Anträge für den Digitalpakt können noch bis Jahresende gestellt werden. Das Geld muss dann bis 2024 ausgegeben werden. Die Mittel kommen vom Bund. Deshalb fordert der schulpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Jochen Ott eine neue Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden. "So haben alle Eltern in den Schulen, wo es nicht geklappt hat den Eindruck, der Staat hat sie im Stich gelassen", so Ott.
#nachcorona wird Unterricht besser werden können
Der Distanzunterricht der vergangenen Monate hat gezeigt, was digital möglich ist. Vieles sei erprobt und viele Innovationen vorangebracht worden, stellt Professor Michael Kerres von der Uni Duisburg-Essen fest. Der Bildungsforscher beschäftigt sich mit digitalem Lernen.
Jetzt komme es darauf an, gute pädagogische Konzepte zu entwickeln, die auf die Vielfalt der Lernenden eingehen, so Kerres. Schulministerin Gebauer will das nach der Pandemie angehen. Die Gesamtschule in Kamen ist da schon ziemlich weit.