Reproduktionszahl gestiegen: Was bedeutet das?

Stand: 02.06.2020, 15:56 Uhr

  • An Pfingsten etliche Corona-Verstöße nicht nur in NRW
  • RKI meldet zudem gestiegene Reproduktionszahl
  • Interview mit Wissenschaftsjournalistin Christina Sartori

An Pfingsten gab es nicht nur in NRW etliche Verstöße gegen die Corona-Regeln. Zudem hat laut Robert-Koch-Institut (RKI) die Reproduktionszahl den Wert 1 überschritten. Was bedeutet das für die Verbreitung des Virus? Antworten von Wissenschaftsjournalistin Christina Sartori.

WDR: Die Reproduktionszahl ist auf 1,2 gestiegen. Das bedeutet, ein Infizierter steckt statistisch etwas mehr als einen weiteren Menschen an. Ist das bedenklich?

Christina Sartori: Noch nicht. Die Reproduktionszahl zeigt immer nur einen Trend. Wenn die Zahl längere Zeit deutlich über dem Wert 1 bleiben oder noch weiter ansteigen würde, dann wäre das bedenklich.

Christina Sartori ist Diplom-Biologin und arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin in Berlin. Von 2002 bis 2010 war sie Redakteurin in der Wissenschaftsredaktion des WDR in Köln.

WDR: Welchen Zeitpunkt gibt der Wert wieder?

Sartori: Die R-Zahl bezieht sich ungefähr auf die Situation vor ein bis zwei Wochen. Man erhält die Daten immer mit einer Verzögerung und kann daher auch nur mit einer Verzögerung reagieren.

WDR: Hängt die gestiegene Reproduktionszahl mit den Lockerungen zusammen?

Sartori: Das lässt sich noch nicht genau beantworten. Aber wahrscheinlich ist die gestiegene R-Zahl mit verschiedenen Ausbrüchen in Verbindung zu bringen, die es zum Beispiel in Schlachthöfen, nach einem Gottesdienst in Frankfurt/Main oder bei einer Feier in einem Restaurant in Leer gab. Da wir gerade so niedrige Fallzahlen hatten, schlagen solche Ereignisse sehr stark zu Buche.

WDR: Mit Blick auf die Verstöße: Wurden mit den Lockerungen falsche Botschaften gesendet?

Sartori: Problematisch bei den Lockerungen ist, dass die Bundesländer doch sehr unterschiedlich agieren und sich nicht einmal an einen gemeinsamen Zeitplan gehalten haben. Da ist bei einigen Leuten offenbar der Eindruck entstanden, es sei ohnehin alles egal.

Aber das Virus ist immer noch da. Es ist wichtig, weiterhin vorsichtig zu sein - wenn man nicht will, dass alles wieder rückgängig gemacht werden muss.

Aber man muss auch sagen: Bei Treffen draußen ist das Infektionsrisiko geringer als in geschlossenen Räumen. Aber auch dort kann man sein Gegenüber per Tröpfcheninfektion anstecken, wenn man sich nicht an den Mindestabstand hält.

WDR: Wie groß ist die Gefahr, dass viele Menschen Corona nicht mehr so ernst nehmen?

Sartori: Was wir an Pfingsten erlebt haben, deutet ein wenig in diese Richtung. Auch weil die Infektionszahlen niedrig sind und es bei uns in den Krankenhäusern keine Situation wie zum Beispiel in Italien gab.

WDR: Droht eine zweite Infektionswelle?

Sartori: Das kann keiner vorhersagen. Das hängt auch davon ab, wie nachlässig oder nicht sich jeder einzelne verhält.

Das Interview führte Dominik Reinle.

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