Lag die 7-Tage-Inzidenz in NRW vor vier Wochen laut Robert-Koch-Institut noch bei 922,7, betrug sie am Freitag nur noch 451,7. Da sich dieser Trend nach Ansicht der meisten Experten fortsetzen wird, steigt der Druck, die verbliebenen Pandemie-Schutzmaßnahmen abzuschaffen.
So hat die EU in dieser Woche ihre Empfehlungen zu Corona-Regeln für Fluggäste gelockert. Ab kommendem Montag müsse das Tragen einer Maske im Flugzeug und in Flughäfen keine Pflicht mehr sein, teilten die Europäische Flugsicherheitsbehörde (Easa) und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC mit. Allerdings schlagen in diesem Fall nationale Regeln die EU-Empfehlungen. Und in Deutschland gilt laut Infektionsschutzgesetz weiterhin die Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen, und zwar bis zum 23. September.
Kabinett uneins über Maskenpflicht
Nach der EU-Entscheidung hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) eine Lockerung für alle öffentlichen Verkehrsmittel auch in Deutschland gefordert. "Nachdem das verpflichtende Tragen von Masken in Flughäfen und an Bord von Flugzeugen von den europäischen Behörden nicht mehr empfohlen wird, besteht in Deutschland dringender Anpassungsbedarf", erklärte er am Donnerstag in Berlin. "Wir sollten hier europaweit einheitlich vorgehen und die Maskenpflicht aufheben, insbesondere im Flugverkehr." Denselben Anpassungsbedarf sehe er auch für die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, erklärte Wissing weiter.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte sich gegen den Vorstoß seines Kabinettkollegens. Er sehe derzeit keinen "Spielraum, auf Masken im öffentlichen Verkehr zu verzichten", schrieb er auf Twitter. Die Pandemie sei noch nicht vorbei. Auch der grüne Gesundheitsexperte Janosch Dahmern sieht derzeit "keinen Anlass, das Infektionsschutzgesetz vorzeitig zu ändern", sagte er dem "Handelsblatt". Für einen sicheren Sommer sei ein Basisschutz notwendig. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Freitag, es gebe derzeit keine Planungen, die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen aufzuheben.
Ärzteverband: Pandemie ist "vorbei"
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich dagegen für ein Ende der Maskenpflicht ausgesprochen. Angesichts der hohen Immunität in der Bevölkerung sei die Pandemie für die meisten Bürger "vorbei", sagte KBV-Chef Andreas Gassen in der "Rheinischen Post". "Wir sollten es den Menschen überlassen, ob sie Masken tragen", ergänzte sein Stellvertreter Stephan Hofmeister.
Ähnlich äußerte sich Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). "Wir erleben seit Monaten volle Fußballstadien, Konzerte und Veranstaltungen ohne Maskenpflicht", sagte er. "Die Infektionszahlen sinken trotzdem, von daher gibt es aus Sicht der Bus- und Bahnunternehmen auch keinen Grund mehr, im ÖPNV oder im Fernverkehr an der Maskenpflicht festzuhalten."
Wie sicher bin ich als einzige Person, die eine Maske trägt?
Wann die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen fällt, ist nicht absehbar. Dass es früher oder später passieren wird, steht aber fest. Ein Gedanke, der viele ältere oder gesundheitlich angeschlagene Menschen beunruhigt. Denn es bleibt die Frage: Wie wirksam sind Masken, wenn es um den Eigenschutz geht? Studien des Max-Planck-Instituts sowie von chinesischen Instituten gehen zwar davon aus, dass eine korrekt getragene FFP2-Maske das Ansteckungsrisiko um über 90 Prozent senken kann. Allerdings räumen die Studienautoren selbst ein, dass ihre Versuche unter konstanten Umgebungsbedingungen durchgeführt wurden. Inwieweit diese Studien die Situation in einer vollbesetzten Bahn mit viel Bewegungen und Verwirbelungen simulieren können, sei daher ungewiss, sagte WDR-Wissenschaftsautorin Antje Sieb.