Kommentar: Ein Jahr und noch immer kaum Infektionsdaten!
Stand: 25.02.2021, 11:12 Uhr
Die Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern klappt besser - und ist trotzdem immer noch unzureichend, um Infektionsmuster zu erfassen. Wir haben schlichtweg zu wenig Daten zur Verfügung. Ein Kommentar.
Von Tobias Zacher
Fast ein Jahr nach Beginn der Pandemie werden die Forderungen nach Lockerungen der Anti-Corona-Regeln gerade wieder lauter. Zugleich ist das Virus noch immer da, sogar in besorgniserregenden Varianten, die sich schneller verbreiten.
Dass das Licht am Ende des Tunnels endlich heller wird, das wünschen sich wohl die Allermeisten. Aber wie lockern, ohne zu viel zu riskieren? Wie kann man mehr Leben möglich machen, ohne neue Ausbrüche zu provozieren? Steigende Infektionszahlen? Mehr Tote? Das ist die zentrale Frage der kommenden Monate. Und zuverlässige Daten könnten helfen, sie zu beantworten. Kommende Woche wollen Kanzlerin und Länderchefs ja eine Strategie für Lockerungen vorlegen.
Genaue Daten würden Strategie ermöglichen
Nehmen wir einmal an, wir wüssten sicher, dass sich Büro-Angestellte, die im Homeoffice arbeiten, seltener anstecken als solche, die im Büro sitzen. Dann kann das darauf hindeuten, dass Büros eine größere Infektionsgefahr darstellen als der private Haushalt. Die Regeln für Büros müssten nach dieser Logik strenger sein – im privaten Bereich könnte man vorsichtig lockern.
Das Problem ist nur: Solche Daten haben wir nicht. Dabei bräuchten wir sie so dringend: Für Restaurants, Sporthallen, Schulen, Clubs, Kitas und alle anderen Lebensbereiche. Die Daten würden die Politik in die Lage versetzen, eine wirkliche Strategie zu entwickeln. Sie hätte endlich Fakten und es wäre klar, wo die größten Infektionsrisiken lauern und wo Gefahren nur vermutet werden.
Gesundheitsämter arbeiten sehr unterschiedlich
Es ist möglich, diese Daten zu erheben, repräsentativ. Sozialforscher bieten Studien dazu an, seit einem Jahr – mit großen, regelmäßigen Stichproben in allen Altersgruppen und Lebensbereichen, Kohortenstudien. Doch die Politik hat nie bestellt.
Bleiben also die Gesundheitsämter, die Infektionen nachverfolgen und so Licht ins Dunkel des Infektionsgeschehens bringen sollen. Das passiert noch immer in viel zu wenigen Fällen – das zeigt die WDR-Datenrecherche. Einige Ämter können Ansteckungen gut nachverfolgen, andere nicht, wieder andere haben gar nicht geantwortet, mit Verweis auf die aktuelle Arbeitsbelastung.
Wir müssen die Umstellung schaffen - jetzt!
Einheitlich erfasst werden die Infektionswege bis heute nicht. Und noch immer viel zu wenige Gesundheitsämter setzen das zentrale Sormas-System ein –dazu sind sie nicht verpflichtet und eine Umstellung ist aufwändig. Es ist nur so: Diese Daten sind keine nette Dreingabe für Nerds. Sie könnten der Schlüssel sein, mit dem wir rauskommen aus dem Corona-Gefängnis – das haben die bahnbrechenden Erkenntnisse aus Israel in dieser Woche gezeigt.
Es ist Zeit für datenbasierte Politik, und die Umstellung müssen wir jetzt schaffen. Um das Coronavirus in den Griff zu bekommen – und kommende Pandemien.