Corona-Ausbruch: Viel Gegenwind für Clemens Tönnies

Stand: 18.06.2020, 17:05 Uhr

  • Corona-Ausbruch bei Tönnies
  • Streit in der eigenen Familie
  • Kritik an Firmengründer

Ende März war für Clemens Tönnies die Welt noch in Ordnung. Mit rund 7,3 Milliarden Euro hatte die von ihm geführte Tönnies-Gruppe für 2019 gerade einen neuen Rekord-Umsatz vermeldet. Auch sportlich lief es für den Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Schalke 04 nicht schlecht: Sein Verein mischte damals noch im oberen Drittel der Bundesliga-Tabelle mit und konnte sich Hoffnungen auf die europäischen Wettbewerbe machen.

Hilfsfonds für arme Familien aufgelegt

Selbst die Corona-Pandemie konnte den erfolgreichen Unternehmer offenbar nicht ausbremsen: An den deutschen und internationalen Standorten des Konzerns wurde weiter geschlachtet und zerlegt. Gemeinsam mit dem Bürgermeister von Rheda-Wiedenbrück gab Tönnies die Gründung eines Corona-Hilfsfonds bekannt.

Mit einer halben Million Euro sollten Familien und gemeinnützige Institutionen, die durch die Krise in Not geraten waren, unterstützt werden. "In dieser Ausnahmesituation darf niemand durch das Raster fallen", begründete Tönnies die großzügige Spende in der Lokalzeitung.

Selbst als Anfang Mai der massive Corona-Ausbruch beim Konkurrenten Westfleisch aus Münster die miesen Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche in den Fokus rückte, hatte Tönnies Glück. In seinen Firmen gab es zu diesem Zeitpunkt nur vereinzelte Infektionsfälle, die Wut der Öffentlichkeit konzentrierte sich auf den Konkurrenten.

Landespolitik übt scharfe Kritik

Nun hat der Skandal um Wohn- und Arbeitsbedingungen mit Hunderten von Corona-Infizierten auch den größten deutschen Schweineschlachter erreicht. Tönnies selbst muss zwar nicht in Quarantäne, ist auch nicht infiziert oder erkrankt, wie der Konzernsprecher am Donnerstag (18.06.2020) eilig erklärte. Er sei zwar im Krankenhaus gewesen, über die Gründe schwieg sich der Sprecher aber aus - "Privatsphäre".

Immer lauter wurde unterdessen die Kritik am Geschäftsmodell der Tönnies-Gruppe, auch aus der NRW-Landespolitik - trotz der Bedeutung seines Unternehmens für den Landeshaushalt.

Neffe fordert Rücktritt von Clemens Tönnies

Gegenwind gibt es auch aus der eigenen Familie. Mitinhaber Robert Tönnies forderte den Rücktritt der kompletten Führungsriege inklusive seines Onkels, Begründung: Die Geschäftsleitung habe durch ihr unverantwortliches Handeln sowohl das Unternehmen als auch die Bevölkerung gefährdet.

Das Corona-Virus befeuert damit einen alten Familienstreit, in dem Onkel und Neffe vor Gericht und in aller Öffentlichkeit um die Macht im Konzern rangen. Inzwischen gehört beiden je eine Hälfte des Unternehmens, aber Robert hat nichts zu sagen. Und jetzt gibt es neuen Streit - und wieder einmal jede Menge Negativschlagzeilen.

Tönnies sucht die Nähe zum Volk

Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies

Vom Metzgerssohn zum Unternehmer

Tönnies hat sich laut "Handelsblatt" in einer umkämpften Branche den Ruf "eines harten Geschäftsmanns mit radikalem Kostenmanagement" erarbeitet. Er selbst betont stets seine Herkunft aus einfachen Verhältnissen und sucht gerne die Nähe zum Volk: im örtlichen Schützenverein, auf dem Fußballplatz, bei Stadtfesten in Rheda-Wiedenbrück. Nach dem Aufstieg des FSV Gütersloh 2009 in die Fußball-Bundesliga der Frauen stieg Tönnies als Hauptsponsor des Vereins ein und stiftete die Tönnies-Arena, in der die Mannschaft seitdem ihre Heimspiele austrägt. Hinzu kommen Initiativen für den Tierschutz und für arme Kinder.

Auch galt Tönnies in der bundesdeutschen Spitzenpolitik bisher als besonders gut vernetzt. Ob die guten Kontakte Tönnies durch die Krise helfen - das wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Tönnies in Zahlen - Deutschlands größte Schlachtfabrik

  • 2 Millionen Verbraucher kommen täglich mit Tönnies-Produkten in Kontakt - zum Beispiel beim Mittagessen mit Schnitzel.
  • 7 Geschäftsbereiche hat die Firma: unter anderem "Meat Pork & Beef" sowie "Convenience". Zum Bereich "Sausages" gehören zum Beispiel die Wurstmarken Böklunder, Könecke, Redlefsen, Schulte, Zerbster Original, Plumrose und Nölke (Gutfried).
  • 7,3 Milliarden Euro Umsatz verzeichnete der Konzern 2019.
  • 29 Produktions- und 19 Vertriebsstandorte hat Tönnies weltweit.
  • 30 Prozent Marktanteil bei Schweinefleisch hatte Tönnies 2019 laut Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands - und ist damit der Abstand größte deutsche Schlachtbetrieb vor Westfleisch (Münster).
  • 82 Länder beliefert Tönnies außer Deutschland, zum Beispiel Südafrika mit Spare Ribs und Korea mit Schweinebäuchen.
  • 750 Tonnen Fleisch für Selbstbedienungsprodukte und 100 Tonnen Tiefkühl-Produkte stellt Tönnies täglich her.
  • 1971 - in diesem Jahr gründete Bernd Tönnies das Unternehmen. Später stieg sein Bruder Clemens Tönnies mit ein. Heute gehört die Firma je zur Hälfte ihm und seinem Neffen Robert Tönnies.
  • 16.000 Angestellte hat die Firma weltweit.

(Quellen: Tönnies Lebensmittel, Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands)

Kamera-Überwachung, Streit mit Assauer, Rassismus-Vorwürfe: Clemens Tönnies in den Schlagzeilen

Nicht nur die "wohl heftigste Familienfehde der Republik" (Manager magazin) bringt Clemens Tönnies und sein Unternehmen immer wieder in die Schlagzeilen.

  • Im Herbst 2007 werden Wohnungen und Geschäftsräume der Firmengruppe durchsucht. Die Ermittler sind auf der Suche nach Beweisen, die den Verdacht auf Schwarzarbeit, Subventionsbetrug und Schwarzgeldkonten erhärten. Auslöser sind Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters, der wegen Untreue entlassen worden war. Die Ermittlungen werden in 28 Komplexen durchgeführt - und in 27 eingestellt.
  • Ende 2008 muss die Firma ein Bußgeld von 80.000 Euro bezahlen, weil Mitarbeiter per Kamera überwacht wurden.
  • Das Unternehmen bekommt Ärger mit dem Bundeskartellamt, weil zwei Firmen seines Fleischimperiums an einem Wurstkartell beteiligt waren. Tönnies muss das 128-Millionen-Euro Bußgeld 2016 trotzdem nicht zahlen, weil er die Firmen kurzerhand auflöst. Ein Trick, der als "Wurstlücke" in die Rechtsgeschichte eingegangen ist.
  • Tönnies löst 2001 überraschend den FDP-Politiker Jürgen Möllemann als Aufsichtsratsvorsitzender bei Schalke 04 ab. Danach liefert er sich einen Machtkampf mit dem langjährigen Schalke-Manager Rudi Assauer. Assauer verliert.
  • 2019 sorgt Tönnies in Paderborn auf dem Tag des Deutschen Handwerks für einen Eklat. In seiner Rede forderte er die Politiker auf, lieber Kraftwerke in Afrika zu finanzieren, als den Kampf gegen den Klimawandel mit Steuererhöhungen zu bestreiten. Dann würden die Afrikaner aufhören, Kinder zu produzieren, wenn es dunkel ist. Es hagelt Kritik, auch der "Ehrenrat" von Schalke befasst sich mit dem Thema. Der hält den Rassismusvorwurf zwar für unbegründet, Tönnies muss seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender aber für drei Monate niederlegen.

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