Überall in NRW hängen Zirkusfamilien fest

Stand: 20.06.2020, 06:00 Uhr

  • Gut 100 Zirkusse hängen in NRW fest
  • Großteil auf Sozialhilfe angewiesen
  • Auftritte vor wenigen Zuschauern lohnen sich nicht

Gut 20 Wohnwagen, Lkw-Auflieger und Lastwagen stehen in einem Kreis auf dem staubigen Festplatz in Gladbeck. Vor einem der bunten Wohnwagen ist ein Pavillon aufgebaut. Darunter sitzt Hardy Scholl auf einem Sessel und raucht.

"Mehr kann ich gerade nicht machen", erzählt der grauhaarige Zirkusdirektor, "so eine Situation habe ich noch nie erlebt." Scholl hängt mit dem gut 15-köpfigen Team des Circus Busch seit März in Gladbeck fest. Durch den Corona-Lockdown waren monatelang keine Vorstellungen möglich.

Stadt braucht den Platz selbst

In den ersten Monaten des unfreiwillig langen Gastspiels zeigte sich die Stadt kooperativ, verlängerte den Mietvertrag für den Standplatz immer wieder.

Doch nun will sie hier eigene Veranstaltungen durchführen. "Schon im Juli wollen wir auf dem Festplatz ein buntes Kulturprogramm für Kinder auf die Beine stellen", erklärt Stadtsprecher Peter Breßer-Barnebeck. "Deshalb muss der Zirkus jetzt weiterziehen."

Frist für Platzräumung verlängert

Eigentlich sollte der Zirkus bereits Anfang der Woche Platz machen. Aber: "Uns fehlt schlicht das Geld", erzählt Zirkusdirektor Scholl, "wir könnten noch nicht einmal den Sprit für eine Weiterfahrt bezahlen."

Denn ein neuer Standplatz ist schon gefunden. Der Betrieb könnte in der Nähe von Magdeburg unterkommen. Um die Fahrzeuge aber dorthin zu schleppen, so Scholl, bräuchte man gut 6.000 Euro für Benzin.

Zirkus erhält nach Monaten Soforthilfe

Der Stadt scheint die vertrackte Situation bewusst geworden zu sein. Denn nun unterstützt sie den Zirkus aktiv, beispielsweise bei der Beantragung von Fördergeldern. "Das Geld wird jetzt auch kommen", verspricht Stadtsprecher Breßer-Barnebeck. "Bis dahin zahlen wir dem Zirkus einen Vorschuss – sonst können sie das neue Quartier nicht erreichen." Schon am Wochenende will die Zirkus-Familie aufbrechen.

Vorstellung nur unter strengen Auflagen möglich

Überall im Land haben gut 100 Zirkusse in den letzten Monaten das gleiche Problem: Eine Vorstellung ist unmöglich. Mit den seit Kurzem eingeführten Lockerungen dürfe man zwar auftreten, erzählt Zirkusdirektor Scholl, es würde sich aber wirtschaftlich nicht lohnen. Viele Mitarbeiter sind auf Sozialhilfe angewiesen.

In Scholls Zelt würden fast 600 Besucher passen. Mit den aktuellen Auflagen dürfe er aber nur vor gut 40 Gästen auftreten. "Das wird einigen Zirkufamilien den Hals brechen", prognostiziert der Direktor. "Ob wir es schaffen? Ich hoffe es..."

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