Mit einem Antikörpertest lässt sich nachweisen, wie viele Antikörper man nach einer Impfung oder Genesung in sich hat. Sollte man das beachten, bevor man sich boostern lässt?
Viele Antikörper statt Booster?
Manche haben nach der zweiten Impfung überdurchschnittlich lang einen hohen Antikörper-Spiegel. Manche haben sich nach der zweiten Impfung infiziert und deshalb viele Antikörper. Ist das nicht genug? Das fragte Henrik Beuning den WDR.
Viele Ärztinnen und Ärzte würden ihm wohl antworten: Es solle sich trotzdem boostern lassen. Aber warum? Das hat verschiedene Gründe.
Aussagekraft von Antikörpertests begrenzt
Zum einen muss man das Ergebnis eines Antikörpertests richtig einordnen. Wichtig ist zum Beispiel: Wann wurde der Test gemacht? Wenige Wochen nach der zweiten Impfung hat man noch viele Antikörper. Nach etwa drei bis vier Monaten werden es deutlich weniger - und das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs steigt.
Hinzu kommt: Die Zahl der Antikörper gibt lediglich einen Hinweis auf einen guten Schutz. "Der Wert, der einen sicheren Schutz bedeutet und damit eine dritte Impfstoffdosis unnötig machen würde, ist nicht bekannt", schreibt die Ständige Impfkommission (Stiko) in ihrem Epidemiologischen Bulletin.
Virologin Protzer: Auch Bindung der Antikörper ist wichtig
Ohnehin ist nicht nur die Zahl der Antikörper für den Immunschutz gegen Corona entscheidend. "Eine starke Bindung ist mindestens genauso wichtig wie einfach nur viele Antikörper", sagt Virologin Ulrike Protzer. Außerdem spielen auch die B- und T-Zellen beim Immunschutz eine wichtige Rolle.
Eine doppelte Impfung sei jedenfalls zu wenig, um gegen Virus-Varianten wie Omikron und Delta gut geschützt zu sein, so Protzer. Eine Ende Januar von ihrem Team veröffentlichte Studie zeige, dass "unser Immunsystem dreimal das Spike-Protein gesehen haben muss, um eine qualitativ hochwertige Immunantwort aufzubauen", schrieb die Münchner Virologin bei Twitter.
Das bestätigt: Vor allem die dritte Impfung bietet einen guten Immunschutz gegen das Coronavirus. Darauf haben auch schon viele andere Forscherinnen und Forscher hingewiesen, zum Beispiel das Team um den Australier Adam Wheatley.
Auch durch Infektion Immunschutz
Protzers Studie zeigt allerdings auch: Durch eine Infektion baut sich ebenfalls Immunschutz auf. Gut gegen Omikron ist man demnach auch dann geschützt, wenn man doppelt geimpft ist und sich danach infiziert hat.
Trotzdem empfiehlt die Stiko auch dann den Booster. Wer sich nach der ersten oder zweiten Impfung mit Corona infiziert hat, solle "im Abstand von mindestens drei Monaten nach Infektion ebenfalls eine Auffrischimpfung erhalten".
Mit dem Boostern zu warten, bis der Impfstoff an Omikron angepasst ist, lohnt sich übrigens nicht. Denn bis dahin ist die jetzige, fünfte Corona-Welle voraussichtlich schon vorbei. Und vor einer schweren Erkrankung schützen auch die bisherigen Impfstoffe gut.
Stiko empfiehlt Antikörpertests nicht grundsätzlich
Ein Antikörpertest sagt also nur bedingt etwas aus - und ein Booster wird in der Regel immer empfohlen. Entsprechend schreibt die Stiko: Eine "Antikörpertestung wird nicht grundsätzlich empfohlen".
Daher muss man dafür auch häufig selbst zahlen. Einen aussagekräftigen Antikörpertest, der einem auch professionell erklärt wird, sollte man mit einer Blutprobe bei einer Ärztin oder einem Arzt machen lassen. Die reinen Laborkosten liegen bei etwa 20 Euro - teils aber auch deutlich darüber.
Denn die Unterschiede zwischen den Antikörpertests sind groß. Das zeigt eine im Januar veröffentlichte Studie des Paul-Ehrlich-Instituts mit der Uniklinik Frankfurt am Main.
Antikörpertests für Immungeschwächte
Sinnvoll sind Antikörpertests vor allem für Menschen, die ein geschwächtes Immunsystem haben - zum Beispiel durch eine Vorerkrankung oder bestimmte Medikamente. Der Test kann bei der Entscheidung helfen, ob noch eine weitere Impfung nötig ist.
Sinnvoll könnten Antikörpertests in Zukunft möglicherweise aber auch für andere sein - nämlich bei der Frage, für wen wie viele Impfungen noch nötig sind. Brauchen wirklich alle eine vierte Impfung und vielleicht auch weitere? In der Wissenschaft wird darüber noch viel diskutiert. Im Januar warnte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) bereits, dass zu viele Impfungen in zu kurzer Zeit das Immunsystem überfordern könnten.
Über dieses Thema berichteten am 05.02.2022 auch das "Morgenecho" bei WDR 5 und die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.