Tihange bei Nacht

Das lange Sterben eines Reaktors

Stand: 01.02.2023, 15:15 Uhr

Jetzt ist er vom Netz, der umstrittene Reaktor Tihange 2 in der Nähe der belgischen Stadt Lüttich.

Von Karin Schneider

Der Druck im Reaktorkern wurde im Laufe des letzten Januartags nach und nach zurückgefahren. Jetzt beginnt die eigentliche Rückbauphase. Es wird rund 15 Jahre dauern, bis am Ufer der Maas, wo der Reaktor heute steht, wieder Grün wachsen kann. 

40 Jahre Laufzeit und viele Probleme

Im Jahr 1983 war der Reaktor Tihange 2 ans Netz gegangen. Benannt nach dem Dorf bei Lüttich, in dem er sich befindet. Durch zahlreiche Pannen hat er im Laufe von 40 Jahren immer wieder von sich reden gemacht. Als man vor mehr als 10 Jahren im Inneren des Reaktorbehälters Tausende Risse entdeckte, so genannte Wasserstoffeinschlüsse, schrie das Aachener Grenzland, und mit ihm zunehmend Menschen aus Belgien und den Niederlanden nach Abschaltung des Haarrissreaktors, wie er im Volksmund inzwischen genannt wird. Es gab zahlreiche Demos und andere Protestaktionen. Das wird ab jetzt nicht mehr nötig sein, aber...

Rückbau mit Risiken

Der Rückbau eines Reaktors ist hochkompliziert und nicht ungefährlich. Er ist mit vielen internationalen Auflagen verbunden und erfolgt nach ausgeklügelten Plänen von innen nach außen. Die erste Maßnahme: Am Abschalttag wurde der Druck im Reaktor auf Null heruntergefahren, bevor um Mitternacht der Schalthebel für immer umgelegt wurde. Anschließend wird die Temperatur im Reaktorinneren von 330 auf 30 Grad Celsius gesenkt. Dann werden die 157 Brennstäbe entnommen und auf dem Gelände des AKW in so genannten Abklingbecken gekühlt. Vermutlich noch im Februar kann die chemische Dekontamination und Reinigung der Oberflächen in und um den Reaktorkern starten.

15 Jahre Abbau - 1 Milliarde Kosten

Wenn das in drei bis 4 Jahren beendet ist, wird mit ferngesteuerten Robotern und teils unter Wasser das Innenleben von Tihange 2 in transportfähige Teile zerlegt und entfernt, darunter die Dampfgeneratoren, zweieinhalb Meter dicke Betonwände, und schließlich der stählerne Reaktorbehälter selbst. Das Wasser schirmt die Strahlung bei der Zerlegung ab. Für Dekontaminierung und Lagerung des nuklearen Abfalls müssen auf dem Gelände des AKW noch neue Lagerungsstätten gebaut werden. Summa Summarum dauern diese Arbeiten rund 10 Jahre. Erst danach kann das Gebäude selbst dem Erdboden gleich gemacht werden. Das dauert nochmal zwei Jahre. Voraussetzung: Das Gebäude muss strahlungsfrei sein. Erst dann darf es abgerissen werden. Der hochkomplexe Rückbau von Tihange 2 soll mindestens 15 Jahre dauern und kostet rund eine Milliarde Euro.