Haarrisse, Pech und Pannen - Das Ende von Tihange 2

Stand: 31.01.2023, 10:28 Uhr

"Tihange zwei - aus und vorbei" - mit diesem Slogan soll in Aachen das Aus des umstrittenen belgischen Reaktors Tihange 2 bei Lüttich ausgiebig gefeiert werden.
 

Von Karin Schneider

In Aachen hat das Bündnis gegen Atomkraft zusammen mit Bürgerinitiativen und Interessengruppen aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden viele Jahre lang für die Abschaltung des Pannenmeilers Tihange 2 gekämpft. Denn der umstrittene Reaktor ist Luftlinie nur 60 Kilometer von Aachen entfernt.

Angst der vor der radioaktiven Wolke

Sieben Reaktoren gibt es in Belgien, zwei davon sind besonders umstritten: Tihange 2 bei Lüttich und der baugleiche Reaktor Doel 3 bei Antwerpen. Letzterer wurde bereits im September endgültig abgeschaltet.

Neben zahlreichen Pannen, technischen Problemen, Stilllegungen wegen bröckelndem Beton oder Druckproblemen in Dampfreaktoren wurden  in den Wänden der Druckbehälter Tausende Haarrisse entdeckt, so genannte Wasserstoffeinschlüsse. Das war vor gut 10 Jahren. Die Befürchtung, diese könnten platzen und eine radioaktive Wolke das Grenzgebiet bei Aachen verseuchen, war groß.

Fast ein Jahr lagen Tihange 2 und Doel 3 still, sie wurden auf Herz und Nieren geprüft. Bis die Atomkontrollbehörde in Brüssel schlussendlich verkündete: "Von den Meilern geht keine Gefahr aus, sie können in aller Sicherheit weiterbetrieben werden".  Im Frühjahr 2014 eine erneute Abschaltung, neue Untersuchungen, neue Expertenberichte - diesmal dauerte es anderthalb Jahre. In dieser Zeit war die Anzahl Risse und auch deren Größe bereits nach oben korrigiert worden. Laut Kontrollbehörde erneut alles ungefährlich und somit grünes Licht: Die Reaktoren gingen wieder ans Netz, als sei nichts gewesen.

Eine historische Protestaktion

Daraufhin wuchsen im grenznahen Aachen die Sorgen. Demonstrationen wurden organisiert, vorsorglich Jodtabletten verteilt, Plakate und Aufkleber mit dem Slogan "Tihange abschalten" hingen an Autos und Fensterscheiben, es wurden 500.000 Unterschriften für die Abschaltung von Tihange 2 gesammelt und nach Brüssel gebracht. Die Städteregion Aachen, die Länder NRW und Rheinland-Pfalz, Privatleute und Unternehmen klagten zweimal vergeblich vor Gericht gegen den Weiterbetrieb des Reaktors. 

Teilmehmer bilden bei der Protestaktion "Kettenreaktion" eine Menschenkette.

Der Höhepunkt der Protestaktionen aber war im Sommer 2017 die Aktion "Menschenkette": Mehr als 50.000 Atomkraftgegner aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden standen in einer 90 Kilometer langen Menschenkette von Aachen über die Niederlande bis Tihange: Hand in Hand, mit Trommeln, Trillerpfeifen und Protestliedern.

Tihange zwei - aus und vorbei!

Wenn am 31. Januar um Mitternacht Tihange 2 für immer ausgeht,  dann sind die Aachener nicht nur froh, sondern auch ein bisschen stolz, denn sie sind überzeugt, zu der Abschaltung nicht unwesentlich beigetragen zu haben. 

Unter dem Motto  "Tihange zwei - aus und vorbei!" wollen sie in Aachen ausgelassen feiern. Heute Abend sind die Atomkraftgegner in Tihange, warten am Ufer der Maas gespannt auf die Stunde Null, wenn am Reaktor 2 der Schalter für immer umgelegt wird.