Ein Kreuz hängt um den Hals eines Erzbischofs

Im Schmerzensgeld-Prozess gegen das Erzbistum Köln legt Kläger keine Berufung ein

Stand: 26.07.2023, 20:41 Uhr

Der ehemalige Messdiener Georg Menne soll in den 1970er Jahren mehrere hundert Male von einem inzwischen verstorbenen Priester missbraucht worden sein. Im Schmerzensgeld-Prozess gegen das Erzbistum Köln legt er keine Berufung ein.

Damit könnte das Urteil in Kürze rechtskräftig werden. Die Frist für etwaige Einsprüche läuft laut Landgericht Ende des Monats ab. Das Erzbistum soll nach dem am 13. Juni ergangenen Urteil einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Besonderer Fall

Es war das erste Mal, dass ein deutsches Gericht einem Opfer von sexualisierter Gewalt in der Kirche einen Anspruch auf Schmerzensgeld zubilligte. "Mir war es wichtig, dass es zu einem Urteil kam. Ich bin aufgestanden und habe der Kirche Grenzen aufgezeigt", so Menne.

Das Landgericht Köln hatte dem Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro zugesprochen. Der Fall ist ungewöhnlich, da der beschuldigte Geistliche bereits tot ist und die Taten aus juristischer Sicht eigentlich verjährt sind. Der Anwalt des Betroffenen hatte auf die sogenannte Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution verwiesen.

Das Erzbistum nannte keine Gründe für einen Verzicht auf die Berufung. Erzbischof Rainer Maria Woelki hatte aber schon unmittelbar nach dem Urteil die Entscheidung des Gerichts begrüßt und erklären lassen, dass die Erzdiözese für das erlittene Unrecht und das Leid der Opfer die institutionelle Mitverantwortung übernehme.

Weitere Verfahren

Dem Urteil wird grundsätzliche Bedeutung für weitere Verfahren zugemessen, die Missbrauchsopfer gegen die Kirche angestrengt haben und in Zukunft anstrengen könnten.

Mennes Anwalt hatte vor kurzem Klage für die Pflegetochter eines aus dem Klerikerstand entlassenen Priesters eingereicht. Für die an ihr begangenen Verbrechen fordert die Frau vom Erzbistum ein Schmerzensgeld von 830.000 Euro sowie 20.000 Euro im Vorgriff auf den Ausgleich künftiger immaterieller Schäden.

Mögliche Auswirkungen für Missbrauchsbetroffene

Auch könnte das Urteil Auswirkungen auf das kircheninterne System für Zahlungen an Missbrauchsbetroffene haben, die von vielen als zu niedrig empfunden werden. Die für die Zahlungen verantwortliche Unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) orientiert sich nach eigenen Angaben "am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder".

Sie hatte sich offen für höhere Zahlungen gezeigt. Voraussetzung sei allerdings, dass das Kölner Urteil rechtskräftig werde. Menne hatte im Rahmen dieses kircheninternen Systems 25.000 Euro erhalten. Diese müssen laut Gericht auf die Schmerzensgeldzahlung angerechnet werden.

Hoffnung auf Veränderung

Experten und Betroffenen-Initiativen erwarten von dem Urteil eine Signalwirkung und rechnen mit weiteren ähnlichen Klagen. Bisher zahlt die katholische Kirche Betroffenen von sexualisierte Gewalt freiwillig sogenannte Anerkennungsleistungen, in der Regel zwischen 1.000 und 50.000 Euro.

Der Betroffenenbeirat bei der katholischen Deutschen Bischofskonferenz fordert Nachbesserungen.