Seit mittlerweile zwölf Jahren führt Hückeswagen den Titel Schloss-Stadt. Sollte die Kleinstadt im Oberbergischen Kreis noch einen zweiten Namenszusatz suchen, wäre wohl Sport-Stadt ziemlich passend. Nach Informationen des Stadtsportverbands (SSV) sind gut 6.000 der insgesamt 15.500 Einwohner und Einwohnerinnen Mitglied in einem der 20 Sportvereine. "Das entspricht etwa 40 Prozent der Bevölkerung", sagt der SSV-Vorsitzende Andreas Gotter nicht ohne Stolz. Das sei nicht nur kreisweit außergewöhnlich.
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Das Problem in Hückeswagen ist nur, dass es für die vielen Sportlerinnen und Sportler zu wenige Sportstätten gibt. Nach Daten des Landessportbundes standen Ende 2022 für jede Person in NRW rein rechnerisch 3,1 Quadratmeter Sportplätze unter freiem Himmel zur Verfügung. In Hückeswagen lag der Wert demnach bei gerade einmal 0,6 Quadratmetern pro Einwohner. Weil es laut dem aktuellen Schulentwicklungsplan auch zu wenig überdachte Sportfläche gibt, plant die Stadt aktuell den Bau einer neuen Sport- und Mehrzweckhalle. Für den größten Unmut in Hückeswagen sorgt aber das marode Bürgerbad.
Bürgerbad seit 2020 geschlossen
Seit fast vier Jahren ist das Bürgerbad in Hückeswagen zu.
Seit mittlerweile fast vier Jahren ist das Hallenbad geschlossen. Nachdem es schon während der Corona-Pandemie zu war, machte es 2020 zwar noch einmal kurz auf, "dann wurden bei einer turnusmäßigen Inspektion aber Baumängel festgestellt", sagt Hückeswagens Bürgermeister Dietmar Persian. Zunächst bestand noch die Hoffnung, die Schäden reparieren zu können. Doch nach und nach stellte sich heraus, dass das Hallenbad nicht mehr zu retten war.
Hückeswagens Bürgermeister Dietmar Persian
Seit diesem Jahr steht nun fest: Die Stadt lässt das alte Bad abreißen und baut an derselben Stelle ein neues. Bis das steht, wird es aber noch dauern. "Wir haben uns entschlossen, den Bau an einen Projektsteuerer zu übergeben", sagt Persian. Die Ausschreibung laufe bereits, eine Entscheidung soll im Oktober fallen. Erst danach kann dann die Ausschreibung für einen Totalunternehmer beginnen, der das Bad bauen soll. Nach dieser Planung können frühestens Ende 2028 die ersten Schwimmer darin wieder ihre Bahnen ziehen.
2.000 Frühschwimmer ohne Schwimmbad
"Dass das Bad jetzt schon seit fast vier Jahren zu ist, ist eine Vollkatastrophe", sagt Tanja Bauer. Sie ist die Vorsitzende der Interessengemeinschaft Frühschwimmer, die allein 2.000 Mitglieder zählt. Zudem ist der Verein neben der Stadt und dem SSV auch als Gesellschafter an der Bürgerbad GmbH beteiligt, die wiederum das Hallenbad bis zur Schließung betrieb. Gegründet wurden Verein und Gesellschaft 2008, um den Weiterbetrieb des Bügerbads zu sichern, nachdem die Stadt selbst als Betreiber ausgestiegen ist.
"Vor der Schließung haben wir es geschafft, das Bad von montags bis sonntags von morgens bis abends mit Leben zu füllen", sagt Bauer. Ursprünglich waren die Mitglieder der IG Frühschwimmer vor allem daran interessiert, das Bad bereits morgens nutzen zu können und stellten dafür die Aufsicht, die ab sechs Uhr das Schwimmen der Vereinsmitglieder beaufsichtigte.
"Dazu kamen dann aber auch Schwimmkurse für Babys und Kinder, Aquafitness sowie die Sauna, um die wir uns kümmerten", sagt Bauer. Da sei für jeden etwas dabei gewesen, vor allem für die vielen älteren Menschen. "Die kamen, um sich morgens ein bisschen zu bewegen und danach einen Kaffee zu trinken und zu plaudern." Seit das Hallenbad zu ist, gibt es diese Anlaufstelle nicht mehr. Die Bürgerbad GmbH bietet zwar noch Schwimmkurse für Babys und Kinder an, diese seien aber verteilt auf die Bäder in den umliegenden Städten.
Triathleten weichen auf die Bever aus
Zu diesem Schritt sind auch die anderen Vereine in der Stadt gezwungen, unter anderem der ATV Hückeswagen. Vor allem für die Triathlon-Abteilung ist das ein Problem "Denn das Schwimmtraining ist da der Knackpunkt", sagt Sven Schäfer, 2. Vorsitzender des Vereins und selbst Triathlet. Radfahren oder Laufen könne man eigenständig trainieren, aber zum Schwimmen brauche man eben ein Schwimmbad. "Wenn das aber überfüllt ist, ist an ein vernünftiges Schwimmtraining nicht zu denken."
Zweimal pro Woche versuchen die Triathleten des ATV in der Bever zu trainieren.
Ein Teil der Triathleten weicht deshalb auf die Talsperre Bever aus. Zweimal die Woche trifft sich die Gruppe, um im Freigewässer zu trainieren. "Noch geht das, weil es nicht zu kalt ist", sagt Holger Stoffel, einer der ATV-Athleten. Für Schwimmkurse oder Kinderschwimm-Teams sei das aber keine Option.
Weite Wege zu Schwimmkursen und -training
Das weiß auch die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, die im Sommer an der Bever die Aufsicht innehat. "Vor allem die Planung der Schwimmausbildung ist extrem schwierig geworden, seit das Bürgerbad geschlossen wurde", sagt Jonas Pickhardt, Ausbildungsleiter bei der DLRG Ortsgruppe Hückeswagen. Zwar konnte der Verein auf das Schwimmbad in Kürten ausweichen, "dort steht aber ein Betreiberwechsel an", sagt Pickhardt. "Dadurch entscheidet sich von Monat zu Monat, ob wir dort Wasserzeiten bekommen oder nicht."
Noch schwerwiegender ist aber ein anderes Problem: die Entfernung. Von Hückeswagen nach Kürten sind es mehr als 17 Kilometer. "Die meisten Eltern machen die Fahrerei mit, bis die Kinder das Seepferdchen haben oder das Bronze-Abzeichen", erklärt Pickhardt. "Danach fahren sie die Kinder aber nicht mehr zum Schwimmen." Die Folge: Die Kinder können dann zwar sicher schwimmen, die anschließenden Kurse bleiben jedoch leer. "Und damit bekommen wir auch keinen Nachwuchs", so der Ausbildungsleiter.
DLRG kann Nachwuchs nicht ausbilden
Denn viele der Kinder machten sonst im Anschluss ihr Silber- und Gold-Abzeichen und fanden mehr und mehr Gefallen am Schwimmen. "Dann absolvierten sie den Juniorretter-Schein und halfen bei den Kursen am Beckenrand mit", sagt Pickhardt. "Und einige machten dann auch noch die Seminare und Kurse, um selbst Übungsleiter zu werden."
Seit April hat sich die Lage zusätzlich verschärft. Seitdem ist auch das Hallenbad in Radevormwald geschlossen. Die Sanierungsarbeiten dort sollen nicht vor Ende des Jahres beendet sein. In diesem Bad fand bislang auch der Schwimmunterricht statt, den die Schulen in Hückeswagen anboten. In diesem Schuljahr fällt der Schwimmunterricht einfach aus: "So ist das leider", sagt Bürgermeister Persian.
Wer sein Kind privat in einem Schwimmkurs anmeldet, muss selbst dafür sorgen, dass es in das jeweilige Bad kommt. "Das müssen sich die Familien auch erst einmal leisten können", sagt Gotter vom Stadtsportverband, der über die Bürgerbad GmbH ebenfalls Schwimmkurse anbietet. "Die finden aktuell in Remscheid statt."
Bürgermeister: "Schwimmcontainer keine Lösung"
Ein Schwimmcontainer ist laut Bürgermeister keine Lösung.
"Das ist in der Tat ein riesiges Problem", sagt Bürgermeister Persian. "Und aktuell können wir es nicht lösen." Kurzzeitig habe man darüber nachgedacht, sich um einen Schwimmcontainer für Hückeswagen zu bemühen. "Der wäre aber einfach zu teuer und vor allem zu klein gewesen, um der Nachfrage gerecht zu werden", sagt Persian.
"Alles, was wir tun können, ist, uns weiter in Geduld üben", sagt Tanja Bauer von der IG Frühschwimmer. Und Sven Schäfer, Holger Stoffel und die anderen Triathleten hoffen darauf, in diesem Jahr noch möglichst lange in der Bever schwimmen zu können. Vielleicht haben Sie Glück und die Winter bis zu Fertigstellung des neuen Bürgerbads Ende 2028 werden allesamt mild.
Unsere Quellen:
- Interview mit Hückeswagens Bürgermeister Dietmar Persian (parteilos)
- Interview mit Andreas Gotter, Vorstandsvorsitzender des Stadtsportverbands Hückeswagen
- Interview mit Jonas Pickhardt, Ausbildungsleiter der DLRG Hückeswagen
- Interview mit Sven Schäfer, 2. Vorsitzender des ATV Hückeswagen
- Interview mit Tanja Bauer, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Frühschwimmer Hückeswagen
- Daten zu Sportplätzen in NRW vom Statistisches Landesam IT.NRW