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Merz treibt Doppelstaatler in die Arme der AfD | MEINUNG

Stand: 11.01.2025, 06:59 Uhr

CDU-Kanzlerkandidat Merz will straffälligen Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen. Das spielt ausgerechnet der AfD in die Karten, meint unsere Kolumnistin.

Von Ayca Tolun

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Zwangsausbürgerungen hat es in Deutschland schon einmal gegeben und das ging bekanntlich böse aus. Deshalb ist die deutsche Staatsangehörigkeit im Grundgesetz besonders geschützt. So heißt es:

Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Grundgesetz, Artikel 16 Satz 1

Im selben Artikel ist zwar noch eine äußerst komplizierte Ausnahmeregelung formuliert, doch diese ist rechtlich kaum anwendbar. Darin sind sich die Juristen einig. Das gilt selbstverständlich auch für alle nachträglich eingebürgerten Einwanderer, ebenso für Doppelstaatler.

Bundestagswahlkampf - Populistische Rhetorik statt Lösungen

WDR Studios NRW 07.01.2025 04:30 Min. Verfügbar bis 10.01.2027 WDR Online


Zweiklassen Gesellschaft

Merz weiß das, wagt aber trotzdem diesen rhetorischen Dammbruch. Und ich ertappe mich dabei, wie ich darüber nachdenke, wie es wohl wäre, wenn es zwei unterschiedliche Klassen von deutschen Bürgern gäbe.

Ayca Tolun, Leiterin der Türkischen Redaktion der WDR-Hörfunkwelle Funkhaus Europa

Kolumnistin Ayca Tolun

Und dann tröste ich mich tatsächlich mit dem Gedanken, dass ich ja dann immer noch halb Deutsche wäre. Dank meiner deutschen Mutter, als eine dritte Kategorie.

Bisher waren Einwanderer mit oder ohne deutschen Pass eher wegen der AfD besorgt. Vor allem nach dem Skandal um das Geheimtreffen der Partei mit Rechtsextremisten in Potsdam, bei dem es um Vertreibungspläne ging. Außerdem war es die AfD, die bei den bisherigen Migrationsdebatten, die Rhetorik der "Passdeutschen" angewendet hat.

Wer hier ist kann bleiben, aber andere sollen nicht kommen

Tatsächlich hat die AfD bisher auch nie öffentlich die Ausbürgerung bei straffällig gewordenen ehemaligen Einwanderern gefordert.

Allerdings will die AfD zunächst einen strikten Einwanderungsstopp durchsetzen. Das wiederum wünschen sich - Überraschung - inzwischen viele Einwanderer genauso. Ganz besonders die mit einem deutschen Pass. Die Mehrheit von ihnen gehört nämlich immer noch zu den unteren Einkommensgruppen. Somit haben sie durch die Konkurrenz von neuen Einwanderern am meisten zu verlieren. Daran ändert auch ein deutscher Pass nichts. Genau deshalb liebäugeln nicht wenige von ihnen mit der AfD.

Sie sagen "Einmal AfD wählen, ist keinmal" oder sie sind sogar davon überzeugt, man könne die AfD womöglich positiv beeinflussen, wenn die Partei diese große Wählergruppe, bestehend aus ehemaligen Einwanderern, irgendwann mitbedienen will.

Politische Anpassung durch Einbürgerung

Tatsächlich unterscheiden sich die eingebürgerten Einwanderer nicht allzu sehr von der Mehrheitsgesellschaft. Ist man deutscher Staatsbürger geworden und gilt somit auch offiziell als so gut integriert, wie es in Deutschland allgemein erwünscht ist, ähneln sich bald auch die politischen Ansichten. Ebenso das Wahlverhalten. Während man als Einwanderer früher eher mit linken Parteien sympathisiert hat, weil diese sich traditionell mehr um die Belange der Einwanderer kümmern, wählt man als neuer deutscher Staatsbürger die Partei, die einem politisch am nächsten liegt. Inklusive Rechtsaußen.

Die CDU könnte neue Wählerschichten erobern

Es stellt sich also die Frage, hat Kanzlerkandidat Friedrich Merz von all dem nichts gewusst, als er das Wahlvolk mit seiner Ausbürgerungsforderung erschreckt hat?

Wohl nicht. Denn hätte er das gewusst, hätte er auch wissen müssen, dass seine CDU bei den anstehenden Wahlen, möglicherweise auf eine beachtliche Zahl von Stimmen aus einer bisher kaum beachteten Wählergruppe hoffen könnte. Also auf Stimmen von konservativen Wählern mit Migrationshintergrund.

Viele, der in Deutschland ansässigen wahlberechtigten Einwanderer sehen das große Wahlkampfthema "Migration" nicht mehr als Angriff auf sich selbst. Die Möglichkeit die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen zu bekommen, aber wohl!

Diese Wählergruppe kann man zwar noch nicht konkret beziffern, aber man kann einfache Nachrechnungen anstellen, um einen Eindruck von ihrer derzeitigen und zukünftigen Bedeutung zu bekommen. Helfen wir also Herrn Merz etwas nach!

Laut Statistisches Bundesamt lebten 2023 knapp drei Millionen Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit in Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt hätten allerdings weitere zweieinhalb Millionen Einwanderer die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen können. Haben sie aber nicht. Auch, weil viele von ihnen auf ihre Herkunftsstaatsangehörigkeit nicht verzichten wollten.

Und bis zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetz letzten Sommer, musste man, bevor man überhaupt einen Einbürgerungsantrag stellen konnte, bereits acht bis zehn Jahre in Deutschland gelebt haben. Dazu galt es noch weitere komplizierte Kriterien zu erfüllen.

Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsgesetz im vergangenen Jahr, beträgt die offizielle Wartezeit jetzt nur noch drei Jahre. Das bedeutet, die Zahl der Einbürgerungskandidatinnen und -kandidaten hat sich seitdem vervielfacht.

Und schließlich läuft ja auch noch die Suche nach ausländischen Fachkräften. Die von zehn auf drei Jahre drastisch verkürzte Wartezeit bei der Einbürgerung, ist nicht zuletzt diesem Umstand geschuldet. Als Anreiz für neue Einwanderergenerationen.

AfD könnte Gewinner dieser Debatte werden

Schaut man nun mit politisch geschultem Auge auf die bereits anwesenden Doppelpassbesitzer, so erkennt man, es entsteht gerade ein großes Potential an vergleichsweise jungen konservativen Wählern. Mehrheitlich mit klassisch-konservativem Weltbild.

Doch es entstehen gleichzeitig auch neue Wählergruppen, die mit demokratischen Gepflogenheiten eher hadern. Sie begeistern sich zunehmend für autokratische Politiker und reiben sich an den Errungenschaften der liberalen Gesellschaft. Andere sind einfach rechtsradikal. Eines haben sie aber gemeinsam, sie alle suchen eine politische Heimat.

Merz aber scheint gerade dabei zu sein, diese historische Chance zu verspielen. Anstatt die sichtbar gewordenen neuen konservativen Wählergruppen zu umwerben, plädiert er für die Möglichkeit ihnen die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Doch wer will schon eine Partei wählen, die einen erst zum Staatsbürger zweiter Klasse machen und später gegebenenfalls sogar ausbürgern will.

Womöglich profitiert am Ende allein die AfD von Merz Aufsehen erregendem Vorstoß. Und das, obwohl es die AfD ist, die seit Jahren unermüdlich Stimmung gegen Einwanderer macht.

Aber sie stellt eben nicht die bereits hier lebenden Einwanderer oder gar die Eingebürgerten unter ihnen in Frage, sondern diejenigen, die noch kommen wollen oder sollen. Und damit trifft die Partei einen gemeinsamen Nerv von AfD-Wählern und eingebürgerten Einwanderern. Ein gemeinsamer Nerv dessen Existenz bisher kaum vorstellbar war! Und es könnte nicht der letzte Nerv sein!

Was sagt ihr zu Merz und seinen Ausbürgerungs-Forderungen? Lasst uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

Kommentare zum Thema

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11 Kommentare

  • 11 Dirk Buschmann heute, 09:30 Uhr

    Wie gesagt: Die Deutsche Staatsbürgerschaft steht fest im Grundgesetz verankert, also ist die Debatte kurzweg: Blabla. Leider erinnere ich mich an Herrn Merz noch aus der unseligen Ära Schröder/Stoiber von vor 20 Jahren, und hatte damals schon kein Vertrauen zu ihm. Man könnte meinen, er hat einfach nur "sein" Kanzleramt im Kopf und redet dem Zeitgeist nach dem Mund, um ja möglichst viele Stimmen abzugreifen. Aber gerade dieser Politiker-Typus ist es, der mit seiner "Unzuverlässigkeit" (heute so, morgen so - Herr Scholz ist die stillere Variante) das Vertrauen in die Politik untergraben hat. Gebt uns einen Kanzler, der sein Kabinett im Griff hat - der weiß, was er will und wie er es will - der uns erklärt, was er tut und wofür er es tut - der auch einem Trump oder Putin Contra gibt - und dann wollen wir mal sehen, ob die AfD noch immer soviel Zulauf hat. Aber Friedrich Merz? Fragezeichen...

  • 10 Anonym heute, 09:25 Uhr

    Dem Text hätte sowohl was Grammatik als auch was Logik angeht ein Lektorat gut getan. Die Rechtschreibfehler sind so zahlreich und frappierend (Beispiel: "Zweiklassen Gesellschaft"), dass ich mich frage, ob hier wirklich jemand am Werk war, der*die professionell (beruflich) mit Schreiben zu tun hat. Abgesehen von der überraschenden Blindheit oder Verharmlosung der AfD fußen Folgerungen teils auf willkürlichen Prämissen. Beispiel: "hätte er das gewusst, hätte er auch wissen müssen...". Die Autorin tut so, als ob es logischen Gesetzen folgen würde, was eine Person weiß, dabei ist das eine bloß empirische Frage.

  • 9 Demokrates heute, 09:08 Uhr

    Die FDP ist vor den linken Parteien eingeknickt und hat mit zu vertreten, dass die deutsche Staatsbürgerschaft verramscht werden kann. Wegen Staatsbürgerschaft bereits nach drei Jahren bekommt sie die Quittung: nur noch drei Prozent Wählerstimmen. Es wird Zeit, dass dieser Fehlgriff wieder schnellstmöglich korrigiert wird.

  • 8 Kai Schollin heute, 09:00 Uhr

    Wieso bitte eine "Zweiklassen-Gesellschaft?" (schreibt man übrigens mit Bindestrich) Doppelstaatler können die Vorzüge zweier Staaten genießen. In vielen anderen Staaten ist es Ausländern z.B. nicht gestattet, Grund und Boden zu erwerben oder etwas zu erben. Doppelstaatler können dies sowohl in Deutschland als auch im Heimatland. Sogenannte "Biodeutsche" können dies (je nach Land, in dem Ausländer vieles nicht können) eben nicht.

    • Anonym 11.01.2025, 09:28 Uhr

      Ironisch, dass Sie den Begriff "Zweiklassen-Gesellschaft" hier unpassend finden und dann Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft konsequent als "Ausländer" bezeichnen.

  • 7 Ylander heute, 08:59 Uhr

    Hier muss differenziert werden. Offenbar wird ein entscheidender Aspekt nicht geshen, was bedauerlich ist: Es ist zu prüfen, ob eine erfolgte Einbürgerung überhaupt rechtmäßig erfolgt ist. Das ist sie jedenfalls nicht, wenn bereits ein vorausgegangener Aufenthaltsstatus rechtswidrig ist, oder wenn das Gesetz über die Erteilung der Staatsbürgerschaft selbst rechtswidrig ist. Denn es gibt keinen Vetrauensschutz bei rechtswidrig erteiter deutscher Staatsbürgerschaft. Der Eingebürgerte kann also nicht darauf vertrauen, dass eine unter rechtswidrigen Umständen erlangte deutsche Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden könne.

  • 6 Sven heute, 08:48 Uhr

    Ich denke das selbst die sehr gut integrierten Mitbürger mit doppelter Staatsangehörigkeit überhaupt nichts dagegen haben kriminelle Gewalttäter, Verbrecher, Vergewaltiger und Mörder die die deutsche Staatsangehörigkeit zusätzlich haben, diese denen zu entziehen und, wenn rechtlich möglich, auszuweisen. Denn sie und ihren Familienangehörigen, die hier auch nur friedlich leben wollen, können genauso Opfer von diesen Kriminellen werden.

  • 5 Sven heute, 08:44 Uhr

    Ich denke das selbst die sehr gut intergierten Mitbürger mit doppelter Staatsangehörigkeit überhaupt nichts dagegen haben kriminelle Gewalttäter, Verbrecher, Vergewaltiger und Mörder die die deutsche Staatsangehörigkeit zusätzlich haben, diese denen zu entziehen und, wenn rechtlich möglich, auszuweisen. Denn sie und ihren Familienangehörigen, die hier auch nur friedlich leben wollen, können genauso Opfer von diesen Kriminellen werden.

    • Rheinländer 11.01.2025, 09:12 Uhr

      Reichlich naiv, zu glauben, dass man selber dann nicht irgendwann dran wäre. Man sieht doch genau, was in Russland passiert: Wer demonstriert geht ins Straflager. Faschisten lösen keine Probleme; sie sind das Problem. Es gibt keine Dikatatur, die den Menschen nicht geschadet hat.

  • 4 Dirk Scholten heute, 08:39 Uhr

    Wenig überraschend vom WDR: ein cdu-kritischer Beitrag. Zwischen der Etablierung des Grundgesetzes und heute liegen viele Jahrzehnte, in denen sich gesellschaftlich viel verändert hat. Abscheuliche Straftaten von angeblich Schutzsuchenden standen damals nicht auf der Tagesordnung. Auch solche bestehenden Gesetze lassen sich aufgrund der Brisanz und einer völlig anderen Gesellschaft heute in Deutschland ändern, d.h. konkretisieren und differenzierter formulieren. Es gibt/gab genug Initiativen des linken Spektrums, auch andere Gesetze (weil sie nicht mehr als zeitgemäß empfunden wurden) zu ändern. Es sollte also kein Tabu sein, auch über Veränderungen zu diskutieren, die Links-Grün nicht passen. Das sollte auch Frau Tolun begreifen.

  • 3 Sandra Schubert heute, 08:37 Uhr

    Für das Erstarken der AFD war doch eine Aussage „wir schaffen das Grenzenlos“, die gesichert unrealistisch war, maßgebend . Das wieder in realistische Bahnen zu bringen fürchte unmöglich. Alle Politiker Aussagen für mich sowieso nur gesichert unrealistische Propaganda, alles kommt hinterher doch ganz anders !

  • 2 Äh heute, 07:59 Uhr

    "Aber sie stellt eben nicht die bereits hier lebenden Einwanderer oder gar die Eingebürgerten unter ihnen in Frage, sondern diejenigen, die noch kommen wollen oder sollen" Das ist ja wohl ein Witz. Natürlich tut die AFD das. Sogar die nicht straffällig gewordenen. Die sagt es nur nicht offen.

  • 1 Heinz L heute, 07:30 Uhr

    Genau richtig so,das würde potentiellen Straffälligen zeigen was die Konsequenz ist.Ein paar Jahre Gefängnis enden,aber das hohe Gut der Staatsbürgerschaft ist viel mehr wert.Für mich gäbe es diese Form gar nicht,entweder Deutscher oder anderer Staatsbürger.Beides geht nicht.