Landespressekonferenz - Wüst und Neubaur

Kommentar: Das schwarz-grüne Experiment, das noch kein Erfolg ist

Stand: 27.06.2023, 09:30 Uhr

Seit einem Jahr regiert die CDU erstmals mit den Grünen in Nordhein-Westfalen. Neben ersten Erfolgen gibt es politische und strategische Probleme. Ein Kommentar.

Von Tobias ZacherTobias Zacher

Ein Jahr Schwarz-Grün – das bedeutet auch: Jubiläum für ein Experiment. Die erste Landesregierung aus CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen.

Demonstrative Gemeinsamkeit

Von Beginn an betonten die Regierungsparteien das „geräuschlose“ Miteinander. Und in der Tat fällt auf, dass die beiden ungleichen Koalitionspartner es bis heute schaffen, nach außen Einigkeit zu demonstrieren. Es gibt zwar auch mal harte Verhandlungen, aber hinter verschlossenen Türen. Am Ende stellen sich Hendrik Wüst und Mona Neubaur, der CDU-Ministerpräsident und seine Grüne Stellvertreterin, immer demonstrativ gemeinsam hinter ihre Kompromisse.

Einige politischer Fortschritte

Das mag diejenigen nerven, die sich mehr „CDU pur“ wünschen oder „die reine Grüne Lehre“. Aber Demokratie bedeutet Kompromiss. Der ewige Streit der Berliner Ampel ist jedenfalls ein Beispiel dafür, wie man es NICHT macht.

Auch jenseits der Haltungsnoten hat schwarz-grün nach einem Jahr durchaus etwas vorzuweisen: Lehrkräfte sollen endlich gleich bezahlt werden, egal an welcher Schule sie ihre wichtige Arbeit machen. Für den so entscheidenden Ausbau von Windrädern und Solarzellen wurden tatsächlich viele Bremsen gelöst. Und im neuen Haushalt hat das Schulressort als einziges keine Kürzungen verordnet bekommen. Das ist alles richtig.

Ist deshalb alles gut? Auf keinen Fall.

Lehrermangel, bezahlbares Wohnen, Integration der Flüchtlinge, Entlastung der Kommunen – diese Themen sind weiter enorm wichtig für die Menschen in NRW. Und ich finde: Hier kommt von Schwarz-Grün wenig bis nichts Wirksames.

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Strategische Probleme

Zu diesen politischen Versäumnissen kommen noch drei strategische Probleme.

Das erste ist die Transparenz. Darüber spricht die Landesregierung viel. Sie lebt sie aber nicht. Der Kohleausstieg mutet bis heute an wie ein Hinterzimmer-Deal mit RWE. Beim Datenskandal in der Schul-IT muss sich die Ministerin Salamitaktik vorwerfen lassen. Und beim Debakel um die gesperrte Rahmedetalbrücke mauert Hendrik Wüst bis heute bei allen Fragen, die sich um seine politische Verantwortung drehen.

Unsolide Finanzpolitik

Das zweite Problem ist vor allem eins der CDU: Die Finanzpolitik. Die Union vereinnahmt sie gern als ihr Kernthema. Doch ausgerechnet hier macht die Landesregierung eine schlechte Figur. Das Chaos rund um den Landeshaushalt im Winter war eine erste Bauchlandung. Ob der Etat überhaupt verfassungskonform war, muss ein Gericht erst noch klären. Und die vermeintliche Lösung zu den kommunalen Altschulden ist ziemlich eindeutig eine Mogelpackung.

Das dritte Problem sind die Umfragewerte der Grünen. Die Zufriedenheit mit der Arbeit der Landesregierung ist insgesamt schlecht. Doch der CDU schadet das nicht – den Grünen dafür umso mehr. Seit Jahresbeginn rutschen sie in der Wählergunst immer weiter ab. Klar, daran sind auch die Bundes-Ampel und der Streit um das Heizungsgesetz schuld. Aber wie lange währt die Koalitions-Disziplin der Grünen wohl bei immer schlechteren Umfragewerten? Wann verlieren sie die Nerven und machen sich auf die Suche nach eigener Profilierung?

Das Experiment schwarz-grün – vielleicht verläuft es ein Jahr nach Beginn sogar besser als erwartet. Ein wirklicher Erfolg ist es deshalb noch nicht.

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