Opposition klagt gegen schwarz-grünen Schattenhaushalt
Stand: 04.04.2023, 13:58 Uhr
Der seit Monaten heftig ausgetragene Streit zwischen Regierung und Opposition um kreditfinanzierten Hilfsprogramme der schwarz-grünen Landesregierung eskaliert nun auch auf juristischer Ebene. SPD und FDP tragen ihren Protest zum Verfassungsgerichtshof des Landes.
Die Oppositions-Fraktionen von SPD und FDP wollen die für dieses Jahr geplante Neuverschuldung von den höchsten Verfassungs-Richterinnen und -Richtern des Landes überprüfen lassen. Die entsprechende Klage wurde in Münster bereits eingereicht.
In dem Streit geht es um bis zu 5 Milliarden Euro, die Schwarz-Gelb in diesem Jahr ausgeben will, um damit die Folgen des russischen Angriffs-Krieges auf die Ukraine abzufedern. Das Geld wird über Kredite beschafft. Laut Schuldenbremse im Grundgesetz ist diese Verschuldung in einer „außergewöhnlichen Notsituation“ ausnahmsweise erlaubt.
SPD und FDP bezweifeln aber, dass sich NRW zum Zeitpunkt der Feststellung der Ausnahmesituation gegen Ende des vergangenen Jahres tatsächlich in einer so dramatischen Lage befunden habe. Das ist eine Hauptstoßrichtung der Verfassungsklage. „Wir müssen von einer Landesregierung erwarten, dass sie sich an Recht und Gesetz hält“, sagt Thomas Kutschaty, der noch Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag.
Notlage ohne Not?
Wenn sich eine Landesregierung auf eine Notlage berufe, müsse das sehr gut begründet sein, ergänzt Professor Simon Kempny von der Universität Bielefeld, der Prozessbevollmächtigte der beiden Kläger-Parteien. Eine ausreichend gute Erklärung sei die Landesregierung aber schuldig geblieben.
FDP-Fraktionschef Henning Höne hält die Erklärung einer „außergewöhnlichen Notsituation“ in NRW für völlig übertrieben. So katastrophal könne die Lage gar nicht sein, wenn im regulären Landeshaushalt mit hohen Zusatzausgaben geplant werde, wie zum Beispiel für die Erhöhung der Lehrergehälter.
Unerlaubte Extra-Schulden?
Ein weiterer Angriffspunkt der Verfassungsklage ist, dass die Landesregierung die Extra-Kredite in ein sogenanntes Sondervermögen packt und nicht im normalen Landeshaushalt verbucht. Auch dafür fehle ein stichhaltige Begründung.
Zudem werde das geliehene Geld nicht immer wirklich zur Krisenbewältigung ausgegeben. Stattdessen würden beträchtliche Summen in schwarz-grüne Projekte fließen, die ohnehin geplant waren. Dafür sei eine Extra-Verschuldung aber gar nicht erlaubt. Als Beispiel nennt FDP-Fraktionschef Höne die Anschaffung von Satellitentelefonen für das Kulturministerium und von Notstromaggregaten für verschiedene Landeseinrichtungen.
Kein Eilverfahren
Allerdings: Die Verfassungsklage zielt ausdrücklich nicht darauf ab, die Hilfsprogramme der Landesregierung zu stoppen. Deshalb wählten die Kläger auch nicht den Weg über ein Eilverfahren vor dem Landesverfassungsgerichtshof. Prozessbevollmächtigter Kempny will nicht darüber spekulieren, wann mit einem Urteil aus Münster zu rechnen ist.
Ein vergleichbares Verfahren in Hessen hat allerdings fast ein Jahr gedauert. Gut möglich ist also, dass schon das ganze Geld aus dem Sondervermögen ausgegeben ist, wenn die Entscheidung fällt. Bisher hat die Landesregierung bereits Hilfen im Wert von 2,3 Milliarden Euro auf den Weg gebracht.
Grüne Fraktion kritisiert Klage
Die Vorsitzende der Grünen im Landtag, Verena Schäffer, kritisiert den Vorstoß der Opposition als inhaltlich nicht nachvollziehbar. Man habe mit dem Sondervermögen „vor allem die hohen Energiekosten“ abfedern wollen. Außerdem könnte so die „soziale Infrastruktur“ gestärkt werden und „Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten“ unterstützt werden. Es sei „absolut unverantwortlich, dass SPD und FDP die Augen vor diesen außergewöhnlichen finanziellen Herausforderungen verschließen“. Schäffer sprach von einer „akuten Klageritis der Opposition“.
Redaktioneller Hinweis: Wir haben den Artikel noch einmal verändert. In einer vorherigen Fassung waren Zusammenhängen nicht klar genug dargestellt.