Bürgergeld: Nur ein neuer Name für Hartz-IV?

Stand: 14.11.2022, 07:29 Uhr

Im Januar soll das Bürgergeld kommen und Hartz-IV ersetzen. Doch die Union stellt sich quer und droht das Vorhaben zu blockieren. Wir erklären, wo genau die Unterschiede liegen.

Die Bundesregierung hat das Bürgergeld auf den Weg gebacht. Es soll 2023 die Hartz IV-Leistungen ablösen. Doch zunächst muss der Gesetzentwurf noch durch den Bundesrat. Doch das könnte schwierig werden, denn die Union droht mit einer Blockade. Im Bundesrat ist die Ampel-Koalition auf die Zustimmung Unions-geführter Länder angewiesen.

Doch was ist eigentlich der Unterschied? Für die SPD und insbesondere für das Haus von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, aus dem der umstrittene Gesetzentwurf stammt, ist es die "größte sozialpolitische Reform seit 20 Jahren" und weit mehr als nur ein neuer Name für Hartz IV. Schließlich geht es nicht nur um eine Anpassung der Regelsätze, sondern um weitere konkrete Hilfen für Millionen Arbeitslose in Zeiten hoher Lebensmittelpreise und Heizkosten.

Lockerung der Sanktionen geplant

Mit der Novellierung, die zum 1. Januar 2023 geplant ist, sollen sich Betroffene stärker um Weiterbildung und Arbeitssuche kümmern können und dabei von Behörden weniger unter Druck gesetzt werden. Dazu gehört auch eine sogenannte "Vertrauenszeit" zu Beginn der Arbeitslosigkeit.

Während dieser sechsmonatigen Phase sollen Empfängern nur eingeschränkt Leistungskürzungen drohen, etwa, wenn sie mehrfach einen Termin beim Jobcenter verpassen. Auch darüber hinaus sieht sie Reform Lockerungen der Sanktionen bei Pflichtverletzungen vor.

Vorgesehen ist außerdem ein sogenanntes Schonvermögen von bis zu 60.000 Euro für Antragsteller und bis zu 30.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt. Ersparnisse in dieser Höhe sollen also zumindest für die ersten zwei Jahre des Bürgergeld-Bezugs keine Rolle spielen. Entsprechend wären bei einer vierköpfigen Familie Rücklagen von bis zu 150.000 Euro geschützt. Für denselben Zeitraum sollen auch Wohnungen anerkannt werden, die größer und teurer sind als das als "angemessen" eigestufte Niveau.

Union: "Falsche Anreize"

Für die Union gehen die Zugeständnisse entschieden zu weit. CDU und CSU sprechen von "falschen Anreizen" und einer "sozialen Hängematte".  Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hält bislang an seiner Blockadehaltung fest. Es sei nicht gerecht, "dass Menschen auf Kosten derer, die fleißig arbeiten gehen, ziemlich lange nicht mitwirken müssen" – so hatte Wüst seine Ablehnung bereits mehrmals begründet. Es habe sich bewährt, "wenn Menschen sich ein Stück weit anstrengen müssen, wenn sie Sozialleistungen bekommen".

Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnte: "Das Bürgergeld droht, unsere Gesellschaft zu spalten." Es könne nicht sein, dass ein Teil der Menschen, die morgens zur Arbeit gehen, nur wenig mehr Geld zur Verfügung hätte als jemand, der morgens nicht zur Arbeit gehe.

Tatsächlich kursierten in den vergangenen Wochen mehrere Rechenbeispiele, nach denen Bürgergeld-Empfänger mit einem Minijob am Ende genauso viel Geld bekommen, wie Geringverdiener in Vollzeit nach Abzug von Steuern, Abgaben, Miete und Nebenkosten.

Doch Wirtschaftsexperten warnen vor einer erheblich verkürzten Darstellung. Die Rechnung sei komplizierter als der simple Vergleich - nicht zuletzt, da auch Erwerbstätige Anspruch auf zusätzliche Transferleistungen wie Wohngeld hätten, gab etwa Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft zu bedenken.

Und VdK-Präsidentin Verena Bentele argumentierte: "Wenn jetzt Stimmen aus Handwerk, Industrie und Politik laut werden, dass mit dem geplanten Bürgergeld das Nicht-Arbeiten immer attraktiver wird, dann kann ich denen nur entgegnen: Wir brauchen höhere Löhne im Niedriglohnsektor. Bürgergeld-Empfänger sollen nicht gegen Niedriglöhner ausgespielt werden.

Kompromiss vorgelegt

Ende vergangener Woche hatte die Bundesregierung einen Kompromiss zum Bürgergeld vorgelegt, der insbesondere bei der zweijährigen Karenzzeit für Leistungsempfänger Verschärfungen vorsieht. So sollen unter anderem die Heizkosten nun doch nur in "angemessener Höhe" übernommen werden.

Der Opposition reicht das nicht aus. Das ganze System des Bürgergelds führe in die falsche Richtung, kritisierte CDU-Chef Merz. Das werde auch durch die nun vorgeschlagenen Veränderungen nicht korrigiert.

Merz bekräftigte im WDR 5 Morgenecho, man wolle das Thema entschärfen im Hinblick auf Betroffene: "Wir ziehen die Erhöhung der Sätze vor - auch im Hartz IV-System - und sorgen dafür, dass die Menschen Sicherheit bekommen für Leistungen ab dem 1. Januar." Dennoch wolle man zwei Prinzipien aufrecht erhalten: Derjenige, der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahle, müsse mehr verdienen als ein Bezieher von Transferleistungen. Zudem müsse der Anreiz für Leistungsempfänger bleiben, schnellstmöglich wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.

So bleibt weiter offen, ob die geplante Reform die erforderliche Mehrheit im Bundesrat erhalten wird. Scheitert das Gesetz durch eine Blockade der CDU-geführten Länder, müsste ein Vermittlungsverfahren in Gang gesetzt werden. Damit wäre eine Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar 2023 unwahrscheinlich.

Über dieses Thema berichten wir unter anderem auch in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.