Alfred Binet, französischer Psychologe

28. April 1905 - Erster Intelligenztest vorgestellt

Stand: 28.04.2020, 00:00 Uhr

Paris am Ende des 19. Jahrhunderts. Das Schulsystem ist noch nicht so gut ausdifferenziert wie heute. Hochbegabte und geistig weniger entwickelte Schüler sitzen in derselben Klasse. Das behindert die Qualität des Unterrichts, bemängeln nicht nur Lehrer. Und es führt dazu, dass viele Kinder auf der Strecke bleiben.

So entsteht die Forderung, die Schulreife der Kinder auch über das Lehrerurteil hinaus möglichst frühzeitig und verlässlich zu testen – auch und gerade zum Wohle derer, die im Unterricht nicht folgen können. Diese Aufgabe überträgt das französische Erziehungsministerium dem Sorbonne-Psychologen Alfred Binet und seinem Team.

Von Greifen bis Wortschatz

Geboren wird Binet 1857 in Nizza. Wie viele Kinder aus gutem Haus studiert er in Paris zunächst Rechtswissenschaften, dann Medizin und Biologie. 1889 gründet er an der Sorbonne ein psychologisches Laboratorium, an dem er sich mit der Intelligenzmessung von Kindern beschäftigt: Erste Probandinnen sind seine eigenen Töchter. Dabei fällt ihm auf, dass die Mädchen je nach Alter unterschiedlich auf  die Aufgaben reagieren. Seine Schlussfolgerung: Persönlichkeit und Lebensalter müssen bei einer Bewertung auf jeden Fall berücksichtigt werden.

1904 kommt der Auftrag des Ministeriums in Paris. Er bildet den letzten Anstoß für den weltweit ersten Intelligenztest, welcher der Öffentlichkeit am 28. April 1905 vorgestellt wird. Er besteht aus 30 Aufgaben, die von der Beobachtung der Augenbewegung oder des Greifens über Gedächtnisleistungen bis hin zur Bewertung des Wortschatzes gehen. Damit ist der Grundgedanke des Intelligenzquotienten (IQ), den Binet allerdings nicht erfindet, schon gelegt.

Wie klug sind Rekruten?

In der Fachwelt schlägt Binets Intelligenztest ein wie eine Bombe. Er ist die Grundlage für weitere Testverfahren. Zum Beispiel für das sogenannte Army Alpha der USA, die mit der Kriegserklärung an das Deutsche Reich 1917 eine zweistellige Millionenzahl von alphabetisierten Rekruten auf ihre Eignungen im Militärapparat hin untersuchen. Es ist der eigentliche Beginn der angewandten Psychologie.

Bis heute werden Intelligenztests eingesetzt, um die richtigen Bewerber für die richtigen Stellen zu rekrutieren. Die Verfahren entscheiden über den sportlichen, politischen und wirtschaftlichen Erfolg – vor allem im westlichen Ausland, wo derartige Tests bis zu 20 Mal häufiger als in Deutschland eingesetzt werden. Und für Schüler mit hohem IQ gibt es heute teils Sonderprogramme zur Förderung. Auch hierzulande.

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