Der entgleiste Zug liegt in Trümmern auf den Schienen

Gutachten über Zugunglück in Geseke: Bremssystem war nicht aktiviert

Stand: 15.11.2024, 07:35 Uhr

Beim schweren Güterzug-Unglück in Geseke im September 2023 war wohl das Bremssystem deaktiviert. Das hat ein Gutachten ergeben.

Von Heinrich Buttermann

Die Paderborner Staatsanwaltschaft hatte nach dem Zugunglück im September 2023 ein Gutachten über den Unfallhergang und die Gründe in Auftrag gegeben. Daraus geht hervor, dass das Bremssystem nicht aktiviert war. Das spricht für einen Fehler des 30-jährigen Lokführers. Der Mann ist bei dem Unfall ums Leben gekommen.

Mängel an den Fahrzeugen oder an den Gleisen seien für den Unfall nicht verantwortlich, heißt es in dem Gutachten weiter. Das ist noch nicht veröffentlicht, die Staatsanwaltschaft Paderborn bestätigte dem WDR aber die wichtigen Details.

Drohnenaufnahme der Feuerwehr

Die Lok zog 14 vollbeladene Zement-Waggons.

Beim Abbiegen auf die Hauptstrecke in einer langgezogenen Linkskurve entgleiste der schwere Zug mit 14 vollbeladenen Zement-Waggons. Die Folgen waren fatal: Für den 30-jährigen Lokführer kam jede Hilfe zu spät, die Waggons hatten sich auf den Gleisen zusammengeschoben, wurden teilweise zerstört, das Umfeld direkt an einer Wohnsiedlung glich einem Trümmerfeld. 

Sachschaden rund drei Millionen Euro

Der entgleiste Zug liegt in Trümmern auf den Schienen

Der Sachschaden wird auf etwa 3 Millionen Euro geschätzt.

Der Zement aus den Waggons war beim Regen hart geworden, musste aufwendig entfernt werden. Insgesamt dauerten die Aufräum- und Reparaturarbeiten auf der vielbefahrenen Bahnstrecke zwischen Hamm und Paderborn mehr als vier Wochen. Auf anderthalb Kilometern Länge mussten Schwellen und Gleise erneuert werden. Der Sachschaden wurde auf rund drei Millionen Euro geschätzt.

"Gehe nicht vom Fremdverschulden aus"

Nach dem jetzt vorliegenden Gutachten geht die Staatsanwaltschaft Paderborn nicht von einem Fremdverschulden aus. Die Akten werden aber noch nicht geschlossen. Der leitende Staatsanwalt will jetzt zunächst das noch ausstehende Abschlußgutachten der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung abwarten. Das ist sehr umfangreich, lässt aber schon seit über einem Jahr auf sich warten.

Video zeigt: Lok stand in Flammen

Auch ohne Gutachten stand schnell fest, dass der Zug viel zu schnell unterwegs war, als er von der eingleisigen Nebenstrecke aus Richtung Zementwerk auf die Hauptstrecke zusteuerte. Das zeigt auch ein Video, das ein Anwohner eher zufällig von dem Güterzug gemacht hatte. Darauf ist neben der hohen Geschwindigkeit auch zu sehen, dass Flammen aus dem Motorbereich der Lok schlagen.

Lokführer war nicht im Steuerstand

Außerdem ist zu erkennen, dass der Lokführer, der an diesem Sonntag allein auf dem Zug war, nicht in der Fahrerkabine, sondern zwischen zwei Waggons gesessen hat. Das sei zum Beispiel bei Rangierfahrten nicht unüblich, hatten erste Ermittlungen der Polizei ergeben, der Zug wird dann ferngesteuert. Zu Details, ob das auch bei der Unfallfahrt der Fall war, äußert sich Staatsanwalt Ralf Meyer bisher nicht.

Im WDR-Gespräch betonte er, dass erst alle verfügbaren Gutachten zusammengetragen werden müssten. Sollten unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, müsste im Zweifelsfall ein weitere Gutachten in Auftrag gegeben werden, um Detailfragen beantworten zu können.

"Er war ein Held"

Zugunglück in Geseke

Der Zugführer verstarb an der Unfallstelle.

Kollegen des Zugführers, ein 30-jähriger Mann aus Warstein, hatten in der Lokalpresse "Soester Anzeiger" berichtet, dass er wohl unter Einsatz seines Lebens versucht hatte, den immer schneller werdenden Zug abzubremsen. Auf der Seite "Der Eisenbahner" im sozialen Netzwerk wurde er daraufhin als Held bezeichnet, der für die Sicherheit der Menschen alles gegeben habe.

Regionalzug wäre wenig später dort gewesen

Schon bei ersten Untersuchungen in Geseke war herausgekommen, dass der Güterzug viel zu schnell gefahren sein soll.  Er soll auf der abschüssigen Strecke im Kurven- und Weichenbereich mit bis zu 70 km/h unterwegs gewesen sein,  statt dem vorgesehehen Tempo 30. Der tragische Unfall hätte noch viel schlimmere Folgen haben können: Wenige Minuten später wäre die Unfallstelle von einem Regionalzug passiert worden, ausserdem lag die Unfallstelle in direkter Nähe zum Bahnhof der Kleinstadt Geseke im Kreis Soest.

Gutachten zum Zugunglück in Geseke

WDR Studios NRW 15.11.2024 00:47 Min. Verfügbar bis 15.11.2026 WDR Online


Unsere Quellen:

  • Staatsanwaltschaft Paderborn auf Anfrage
  • WDR Regionalkorrespondent im Kreis Soest

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