Psychologische Hilfe für Krebskranke - bis zum Tod
Stand: 22.02.2023, 17:59 Uhr
Im evangelischen Krankenhaus Lippstadt begleitet Werner Schweidtmann onkologische Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg mit der Krankheit – oft bis zu ihrem Tod. Nur sehr wenige Krankenhäuser bieten diese Form der psychologischen Betreuung für Krebskranke an. Im WDR-Interview berichtet er von seinen Erfahrungen.
WDR: Wen betreuen Sie?
Werner Schweidtmann ist eine Stütze für schwerkranke Menschen
Werner Schweidtmann: Ein Beispiel: Unsere Station vier ruft mich an und sagt: "Da ist ein Patient, der hat gerade eine schlimme Diagnose bekommen. Geh mal dahin." Und ich treffe dann auf einen Mann, der mir sagt: "Gestern hatte ich noch eine Magenschleimhautentzündung. Heute habe ich ein Gallengangskarzinom mit Lebermetastasen."
WDR: Was tun Sie in so einem Moment?
Schweidtmann: Der entscheidende Punkt ist, einen Raum zu geben, wo jemand das ausdrücken kann, was ihn im Moment am meisten beschäftigt – also diese emotionale Erschütterung.
Dr. Werner Schweidtmann
Dr. rer. medic. Dr. theol. Werner Schweidtmann ist Medizinwissenschaftler, Heilpraktiker und Psychoonkologe und arbeitet schwerpunktmäßig in der Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen und ihrer Angehörigen im Krankenhaus. Als Coach und Autor gibt er in seinem Buch "Sterben - das Schwierige im Leben" Hinweise und Hilfestellung für die Begleitung am Lebensende.
WDR: Um welche Fragen geht es dann?
Der Psychoonkologe bespricht das weitere Vorgehen
Schweidtmann: Wie kann es weitergehen? Inwieweit kann ich noch arbeiten? Inwieweit werde ich zum Pflegefall? Inwieweit werde ich für meine Angehörigen zur Last? Das ist immer ein Riesenthema.
WDR: Sie können keine Lösung anbieten.
Schweidtmann: Das stimmt. Indem wir darüber reden, kommt zumindest was da drinnen ist nach außen. Das ist schon unglaublich wichtig, dass die Angst nicht zur Beklemmung wird.
WDR: Wie gehen Menschen mit diesem Schicksal um?
Werner Schweidtmann hält sich dabei an die Wünsche der Patienten.
Schweidtmann: Ich gehe immer einen halben Schritt hinter dem Patienten und wenn er abbiegt in Richtung Verdrängung oder wenn er sich intensiv damit auseinandersetzen will, kann ich das nicht entscheiden. Die Entscheidung trägt er.
WDR: Warum haben Sie die Psychoonkologie gewählt?
Schweidtmann: Ich fand, dass das Medizinstudium an sich zu wenig Hilfen gibt, wie man Patienten führen und begleiten kann. Das war der Grund, warum ich sehr früh eine Psychotherapieausbildung gemacht habe. Das war für mich die ideale Kombination – Psychoonkologie.
WDR: Kommen Sie immer mit den Menschen ins Gespräch?
Schweidtmann: Es kommt ganz selten vor, dass Menschen sagen, ich möchte das nicht.
WDR: Wie schaffen Sie es, sich zu schützen vor den Schicksalen, die Sie jeden Tag erleben?
Schweidtmann: Ich nehme mir Auszeiten. Die brauche ich für meine Seelenhygiene. Ich mache Urlaub, habe die Familie. Ich muss auf der einen Seite Mensch sein, sonst kann ich keinen Kontakt zu meinen Patienten aufbauen. Auf der anderen Seite kann ich aber nicht mit jedem mitsterben.
WDR: Was lernen Sie aus Ihrer Arbeit?
Werner Schweidtmann ist Psychoonkologe geworden, um den Menschen medizinisch und persönlich beizustehen
Schweidtmann: Mein Motto heißt "Heute leben", damit du am Ende sagen kannst, es war ein erfülltes Leben. Wie eine meiner Patientinnen. Eine alte Dame, die sagt: "Ich habe sieben Kinder. Das ist meine Lebensleistung. Darauf bin ich stolz. Deshalb kann ich mich jetzt verabschieden." Das ist etwas, was ich mir wünsche, dass ich diese innere Ruhe bekomme.
WDR: Sie lieben Ihren Beruf?
Schweidtmann: Ja, ich mache ihn immer noch mit großer Leidenschaft. Meine Patienten zeigen mir jeden Tag, sterben kann eine sehr intensive Zeit des Lebens sein. Vor allem, wenn man sich darauf einlässt.
Das Interview führte Katja Brinkhoff.