Gewalt gegen Obdachlose
Aktuelle Stunde. 08.11.2023. UT. Verfügbar bis 08.11.2025. WDR. Von Laura Kingston.
Zwei Wochen nach Tötung eines Obdachlosen: Horn-Bad Meinberg zwischen Trauer und Normalität
Stand: 08.11.2023, 19:38 Uhr
Zwei Wochen ist es her, dass drei Jugendliche in Horn-Bad Meinberg einen Obdachlosen töteten. Die Aufarbeitung der Geschehnisse hat längst begonnen. Doch in der Kleinstadt ist die Tat noch allgegenwärtig.
Von Katharina Böhmer
Stille und gesenkte Köpfe, aus dem Hintergrund ist leise Klaviermusik zu hören. Die meisten Stühle sind besetzt: Etwa 100 Leute sind an diesem Abend in die Burgscheune in Horn-Bad Meinberg gekommen, um Thorsten D. zu gedenken - getötet offenbar von drei Jugendlichen.
Auch zwei Wochen nach der Tat ist man hier noch fassungslos. "Thorsten war unglaublich freundlich und hilfsbereit", erzählt Bianca Kompalla, eine Freundin des Opfers, mit zittriger Stimme.
Sie wolle vom Menschen erzählen und sein Leben zeichnen. "Er hat seine Externsteine geliebt und wollte nur frei sein." Ihre Mundwinkel gehen leicht nach oben, als sie von ihrem letzten Treffen erzählt.
Sie hat einen Aufsteller mit drei Bildern mitgebracht. Thorsten D. lächelt in die Kamera, man sieht ihn im Hochzeitsanzug und mit seinem Sohn.
Musiker Dominik Biermann
Emotional wird es, als Dominik Biermann auf seiner Gitarre "Amazing Grace" anstimmt. Es fließen Tränen. Auch das Lieblingslied des Verstorbenen wird abgespielt: "Niemals geht man so ganz".
Kleinstadt in der Aufarbeitung
"Die Bestürzung war und ist groß", sagt Bürgermeister Heinz-Dieter Krüger zur Begrüßung. Er sei aber auch glücklich über den unheimlichen Zusammenhalt, den er momentan in der Stadt wahrnehme. Die brutale Tat ist für die Kleinstadt ein einschneidendes Ereignis.
Bürgermeister Heinz-Dieter Krüger
Damit sich so etwas nicht wiederholt, sei man gemeinsam mit Polizei, Jugendamt, Seelsorge sowie Lehrerschaft dabei, die Tat aufzuarbeiten. An den Schulen gab es umfangreiche Seelsorge-Angebote. Und auch die Stadt geht in Vorleistung. Sie schafft eine neue Stelle für die Schulsozialarbeit, eine weitere Stelle stockt sie auf.
Tröstende Worte und Ratschläge
Auch bei der Gedenkveranstaltung gibt Notfallseelsorger Andreas Gronemeier Empfehlungen, mit der Situation umzugehen.
"Das Gespräch, der Austausch und die Gemeinschaft und dass man sich gegenseitig stützt und stärkt", das sei nun das Wichtigste. Man müsse aber auch den Weg zurück in den "veränderten Alltag" finden.
Zwei 15-Jährige und ein 14-Jähriger haben ihre Beteiligung an der Tat eingeräumt und zugegeben, dem Mann Gewalt angetan zu haben. Mittlerweile hat auch die Staatsanwaltschaft die Videos ausgewertet, die die Jugendlichen selbst gemacht und über einen Messenger verschickt haben sollen.
Der Tatort in Horn-Bad Meinberg
Man sieht darauf, wie eine Person heftig zuschlägt und eine andere Person auf das Opfer einsticht. Vor allem viele junge Menschen haben das Video zugeschickt bekommen.
Stadtfest am Wochenende
Die Betroffenheit ist nicht nur bei der Gedenkveranstaltung zu spüren. "In Horn ist eine ganz komische Stimmung in der Luft", beschreibt die Horn-Bad Meinbergerin Layla Rösner ihre Eindrücke. Trotzdem feiert die Stadt Horn-Bad Meinberg am Wochenende ein Stadtfest: 775-jähriges Jubiläum der Stadtrechte, neben dem Volksfest "Kläschen" gibt es einen Mittelaltermarkt.
Auf dem Marktplatz werden schon die Karussells aufgestellt. Vor der Burgscheune stehen erste Hütten für den Mittelaltermarkt. "Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen Tat und Stadtfest", so Bürgermeister Krüger.
Auf dem Marktplatz starten schon die Vorbereitungen fürs Kläschen
"Viele möchten Ablenkung und der Situation entfliehen", sagt Krüger. Auch Thorsten D. sei gerne zum Mittelaltermarkt gekommen.
Nicht alle in Feierlaune
In der Stadt sieht man das Stadtfest mit gemischten Gefühlen. "Also ich werde nicht hingehen, mir ist gerade nicht danach. Aber abgesagt hätte ich das Kläschen auch nicht", so Sonja Höffinger, die in Horn-Bad Meinberg wohnt.
Layla Rösner geht noch ein Stück weiter: "Ich glaube, beim 'Kläschen' wird nichts los sein, weil sich natürlich auch alle fragen: Passiert noch was?"
Auf dem Burgplatz, wo sich am Wochenende die Händler tummeln werden, stellen jetzt Betroffene Kerzen für Thorsten D. auf. Sie brennen nicht lange, bevor der kalte Wind sie wieder auspustet und spenden doch ein bisschen Trost.