Leben im Verborgenen: Der Alltag von Werkarbeitern

Stand: 02.07.2020, 13:20 Uhr

Wer zum Arbeiten aus Osteuropa nach Deutschland kommt, erlebt häufig einen Schock. Es ist selten so wie gehofft und versprochen. Werkarbeiter berichten von ihrem deutschen Alltag.

Von Marie Eickhoff

Emilia hat nach ihrer Ankunft in Deutschland sofort angefangen zu arbeiten. Unter anderem beim Fleischproduzenten Tönnies in Gütersloh. Ihre Erfahrungen: "Du wirst gemobbt, beleidigt, es wurde geschrien, du wirst richtig, richtig schlecht behandelt." Vor zehn Jahren ist sie aus Bulgarien gekommen. Sie möchte anonym bleiben, deshalb haben wir ihren Namen geändert.

Subunternehmen locken mit falschen Versprechen

Dass so viele Menschen aus Osteuropa ausgerechnet nach Deutschland kommen, ist kein Zufall. Über Foren und Agenturen locken die Subunternehmen sie mit falschen Versprechen von Reichtum und einem besseren Leben. "Das ist ein riesiges Geschäftsmodell", erklärt Volker Brüggenjürgen von der Caritas im Kreis Gütersloh. Die Menschen können hier dreimal so viel Geld verdienen wie in ihren Heimatländern, aber werden von den Subunternehmen ausgebeutet.

Nach oft 12 Stunden-Schichten geht es für die Werkvertragsarbeiter in ihre Sammelunterkünfte. Der einzige Ort für soziale Kontakte. "Die Unterkunft, die ich bezogen habe, war eine Katastrophe. Ich musste noch jemandens Fäkalien wegräumen. Es gab eine einfache Pritsche mit Matratze." Krzysztof kommt aus Polen. Er ist seit 14 Jahren in Deutschland. Zehn davon hat er bei Tönnies gearbeitet. Jetzt ist er auf dem Bau. Da ist es besser, sagt er.

Sein Plan war, seiner Familie in Deutschland ein gutes Leben zu ermöglichen. Dafür hat Krzysztof seine Frau und Tochter zehn Jahre in Polen zurückgelassen. Was er erlebt hat, hat er ihnen nie erzählt. Damit sie sich keine Sorgen machen. Es macht ihn wütend, wenn andere in Polen erzählen, diese Arbeit sei super. "Wenn jemand herkommen möchte, soll er es versuchen. Er soll selbst sehen, wie 'toll' es ist."

Isoliert unter Nachbarn

Im Kreis Gütersloh wohnen die Werkarbeiter nicht abgeschieden, aber isoliert. "Normalerweise redet niemand mit uns", berichten mehrere Männer in einer Unterkunft. Sie stecken zu viert die Köpfe durchs Fenster. Sie wohnen umgeben von anderen Häusern. Von Menschen, die hier schon immer wohnen.

Emilia wünscht sich, dass sie in der Gesellschaft in Deutschland früher eine Chance bekommen hätte. "Ich wollte mich integrieren." Sie hat Deutsch gelernt, sich bessere Jobs gesucht. "Ich gebe mir richtig viel Mühe." Trotzdem geht das Gefühl nicht weg, nicht dazuzugehören. "Man fühlt sich immer diskriminiert."

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