Wenn die Corona-Vernunft kurz aussetzt

Stand: 26.10.2020, 21:07 Uhr

Politiker fordern in der Corona-Krise immer wieder Disziplin. Aber was, wenn sie sich selbst nicht an die Regeln halten? Genau dafür steht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) jetzt in der Kritik.

Mit mahnenden Worten wandte sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am Sonntagabend an die Zuschauer einer Talkshow. "Es muss das Verhalten der Einzelnen sich verändern", sagte er und forderte dazu auf, die Kontakte zu reduzieren und für zwei, drei Wochen zuhause zu bleiben. Die Botschaft war klar.

Doch trotzdem gab es kurz danach Zweifel, wie ernst die Worte gemeint waren. Denn am Ende der Sendung, als der Abspann schon lief, war zu sehen, wie Laschet eng mit dem ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum zusammen stand. Der viel beschworene Abstand fehlte genauso wie eine Maske.

Appelle "ad absurdum" geführt

Sofort meldeten sich im Netz die ersten kritischen Stimmen. So beklagte der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, dass all die Appelle an Vernunft und Disziplin in nur wenigen Sekunden "ad absurdum" geführt worden seien.

Andere Beispiele aus der Corona-Krise

Fordern die Politiker also mehr Verantwortungsgefühl und verhalten sich dann selbst verantwortungslos? Schon im April sorgte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für Schlagzeilen, weil er sich in einen vollbesetzten Aufzug drängte. Und FDP-Chef Christian Lindner wurde im Mai dabei beobachtet, wie er den belarussischen Honorarkonsul ohne Mundschutz umarmte.

Nicht zu viel Selbstgerechtigkeit

Die Medizinethikerin Christiane Woopen, die auch Mitglied in Laschets Corona-Expertenrat ist, sagt zwar: "Das Gefährliche an moralischen Appellen ist immer, dass sie auch für einen selber gelten. (…) Insofern haben die Politiker natürlich selber eine Verantwortung."

Dennoch rät Woopen zu etwas mehr Gelassenheit. Jeder mache mal etwas Unvorsichtiges. "Insofern müssen wir da vielleicht nicht noch selbstgerechter werden, als das in dieser Zeit ohnehin schon in der Luft liegt."

Auch die Opposition bleibt gelassen

Und auch die politische Konkurrenz will Laschets Fauxpas nicht für eine Attacke ausnutzen. Zwar sagt SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty: "Ja, ein Politiker hat eine Vorbildfunktion und sollte darauf aufpassen, dass er nicht zu nah auf andere Menschen zugeht." Aber manchmal lasse es sich nicht vermeiden, wenn jemand anderes einem zu nahe komme.

Was bleibt, sind Bilder von Politikern, die nicht das vorleben, was sie von den Bürgern verlangen.

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