Eng und voll: Wo neue Corona-Hotspots entstehen könnten

Stand: 01.07.2020, 06:00 Uhr

  • Virologe: Sammelunterkünfte im Blick behalten
  • Pfarrer hält "Arbeiterstrich" auch in NRW für ein Risiko
  • Weitere Tests sollen Sicherheit geben

Von Marie Eickhoff und Susanne Petersohn

Der Sommer ist für das Coronavirus eine unangenehme Jahreszeit. Es mag es lieber kühl und feucht, wie im Fleischbetrieb von Tönnies. Viel entscheidender als die Temperatur sind jedoch die Arbeitsverhältnisse.

"Die Frage ist, wie eng und intensiv die da zusammenhocken", erklärt Virologe Rolf Kaiser von der Uniklinik Köln. Viele Menschen und wenig Platz - das macht es dem Coronavirus einfach, sich zu verbreiten.

Blick auf Sammelunterkünfte

Kaiser hat als Wissenschaftler im Moment einen wachsamen Blick auf Stellen, an denen sich das Virus explosionsartig verbreiten könnte. In Sammelunterkünften hält er das für möglich. "Naturgemäß sind da viele Menschen auf engem Raum und verbringen auch die Freizeit miteinander."

Das Risiko in Unterkünften erleben Erntehelfer sowie Arbeiter auf Baustellen oder Beschäftigte in Paketzentren. Pfarrer Peter Kossen aus Münster hält es für möglich, dass die Paketbranche der nächste Corona-Hotspot wird.

Baubranche, Paketversand und Landwirtschaft

Kossen ist kein Wissenschaftler, aber kennt die Arbeitsbedingungen in den Betrieben. Seit Jahren setzt er sich für die Rechte von Leiharbeitern ein. Die Verträge im Versandhandel beschreibt er als "Ausbeutungsverhältnisse" - ähnlich wie in der Fleischindustrie.

"Die sind ständig unter Druck rauszufliegen." Angst und Demütigung führen dazu, dass die meisten einfach hoffen, nicht aufzufallen, beschreibt es Kossen. Wer krank ist, lasse sich nicht krankschreiben. Zu groß sei die Angst, den Job zu verlieren, der einen über Wasser hält.

"Arbeiterstrich" auch in NRW ein Risiko

Auf Großbaustellen werden die Leiharbeiter auch in NRW teilweise über den sogenannten Arbeiterstrich eingesammelt - zum Beispiel in Köln. "Die arbeiten dann schwarz und ohne Versicherung", erklärt Kossen. Die Arbeiterstriche seien Treffpunkte für Menschenhändler. "Das gibt es auch auf dem Land. Und ich habe keinen Hinweis, dass es weniger geworden ist."

Prekäre Arbeitssituationen bleiben meistens außerhalb des Radars der Behörden. Dabei ist bekannt, dass es sie in verschiedenen Branchen gibt. Das bestätigt Frank Christian Starke aus der WDR-Wirtschaftsredaktion. "Daraus allerdings zu schließen, hier seien die nächsten Corona-Ausbrüche programmiert, wäre falsch und voreilig."

Oft nicht im Radar der Behörden

Sorgen, dass neue Hotspots in solchen Branchen eine neue, große Infektionswelle auslösen könnten, macht sich auch Virologe Rolf Kaiser nicht. Für ihn ist es wichtig, dass das Virus durch Tests weiter beobachtet wird. "Wir können nie ausschließen, dass wir irgendeine Firma übersehen, aber dass sich das flächenmäßig ausbreitet - das glaube ich mit unseren Maßnahmen zu verhindern."

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