Nach dem EU-Gipfel: Wohin fließt das Geld?

Stand: 21.07.2020, 19:12 Uhr

  • Wohin gehen die Milliarden aus Brüssel?
  • NRW drohen Einbußen für Strukturwandel
  • Juncker glaubt an Rückkehr zu Geschlossenheit

Von Oliver Scheel

Das größte Finanzpaket in der Geschichte der EU ist geschnürt. Nach 91 Stunden Verhandlung war der EU-Sondergipfel in Brüssel beendet. Für Jean-Claude Juncker, den ehemaligen Präsidenten der EU-Kommission zeigen die langen Verhandlungen, dass jeder der 27 Staaten in der "Krise sein eigenes Süppchen kochte und jetzt einen eigenen Nachtisch auf den Tisch stellte". Im Interview mit der Aktuellen Stunde zeigte sich Juncker überzeugt, dass die EU zur Geschlossenheit zurückkehren werde, weil gemeinsames Handeln in der Krise nötig sei.

Macron und Merkel gegen die "Sparsamen Vier"

Diese Corona-Hilfspaket hat eine Höhe von 750 Milliarden Euro. Diese Summe teilt sich nach zähem Ringen auf in 390 Milliarden als Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss und 360 Milliarden als Kredite, die zurückgezahlt werden müssen. Damit nimmt die EU zum ersten Mal gemeinsame Schulden auf, die bis zum Jahr 2058 abgetragen sein sollen.

Geld für Umbau zu nachhaltiger Wirtschaft

Merkel erläuterte am Dienstag (21.07.2020), in welche Bereiche das Geld fließt: "30 Prozent der Ausgaben werden für Klimafragen und Digitalisierung ausgegeben." Damit könne, so die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Katja Leikert, die Transformation unserer Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit in den kommenden sieben Jahren entscheidend vorangebracht werden. Das Geld darf nicht verwendet werden, um alte, nicht zukunftsfähige Industrien künstlich am Leben zu halten.

Kürzungen gab es bei den Verhandlungen aber auch: bei Themen wie Gesundheit, Forschung, Migration oder der Außenpolitik. An diesem Ergebnis reiben sich die meisten Kritiker. "Das ist nicht sparsam, das ist dumm", sagte die grüne Europapolitikerin Franziska Brantner.

Weniger Geld für Kohleregionen - Streichungen für NRW?

Auch die Gelder aus dem sogenannten "Fonds für einen gerechten Übergang" wurden von 40 auf 17,5 Milliarden Euro zusammengestrichen. Dieser Topf sollte die Kohleregionen auch in NRW bei einem klimafreundlichen Strukturwandel unterstützen. Für Deutschland waren gut 5 Milliarden Euro vorgesehen, jetzt dürften nur etwas mehr als 2 Milliarden übrig bleiben. Was das genau für Nordrhein-Westfalen bedeutet, konnte ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums am Nachmittag noch nicht sagen.In jedem Fall nicht betroffen von der Kürzung ist das von der Bundesregierung gerade erst beschlossene Strukturstärkungsprogramm mit einem Umfang von 40 Milliarden Euro in den kommenden 20 Jahren.

1,3 Extra-Milliarden für ländliche Entwicklung und ostdeutsche Regionen

Für Deutschland handelte Merkel laut Mitteilung der Agentur AFP insgesamt 1,3 Milliarden Euro zusätzlicher Gelder heraus. Wie aus dem Abschlussdokument des Treffens hervorgeht, soll Deutschland aus dem nächsten Sieben-Jahres-Finanzrahmen zusätzlich 650 Millionen Euro für ostdeutsche Regionen erhalten, um "Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern". Weitere 650 Millionen Euro sind für die ländliche Entwicklung vorgesehen.

Wer profitiert nun am meisten von diesem Gipfel? Zunächst einmal haben die "Sparsamen Vier" deutlich höhere Rabatte auf ihre Beitragszahlungen in den EU-Haushalt durchgesetzt. Der deutsche Rabatt bleibt unverändert bei 3,67 Milliarden Euro pro Jahr.

Deutsche Wirtschaft auf gesunde Nachbarn angewiesen

Die deutsche Wirtschaft erhofft sich natürlich von dem Hilfspaket, dass die angeschlagenen Nachbarn in Südeuropa wieder auf die Beine kommen und weiterhin deutsche Produkte kaufen. Deutschland als Exportnation ist besonders auf gesunde Volkswirtschaften in der EU angewiesen, denn die ist ihr größter Handelspartner.

Ungarn und Polen bleiben hart

Nicht zuletzt haben auch die Sorgenkinder der EU den Gipfel für sich genutzt. Victor Orban hat dem Corona-Hilfstopf nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Menschrechtsverletzungen in Ungarn keine finanziellen Sanktionen nach sich ziehen. Und Polen bekommt weiterhin Geld für den Strukturwandel, obwohl es sich als einziges Land nicht zu dem EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekennt.

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