"Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert": Mit Großbuchstaben und eindeutigen Worten hat sich die Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) in einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt.
Die Vereinigung kritisiert Corona-Maßnahmen wie die Sperrung von Spazierstrecken oder das Verbot, sich in Parks zu treffen. Das Coronavirus werde im Freien nur "äußert selten" übertragen und führe nie zu Clusterinfektionen, heißt es in einem veröffentlichten Brief.
Wie wahrscheinlich ist es, sich draußen an der frischen Luft mit Corona anzustecken?
Tatsächlich sind sich die meisten Experten darin einig, dass es sehr unwahrscheinlich ist, sich im Freien anzustecken. Gerhard Scheuch forscht seit langem auf dem Gebiet der Aerosole. In der ARD-Sendung "livenachneun" sagte Scheuch, draußen sei die Gefahr "überhaupt nicht gegeben. Wenn man draußen ist und sich an der frischen Luft bewegt, dann ist die Gefahr bei Null."
Ein geringes Risiko bestehe lediglich, wenn man sich für längere Zeit gegenüberstehe und unterhalte. Darauf weist auch Christof Asbach, Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, im Gespräch mit dem WDR hin. Wenn man sich längere Zeit gegenüberstehe, womöglich noch in einer Gruppe, dann gebe es mehr Partikel in der Luft und die Situation werde kritischer. Die Aerosol-Partikel, die möglicherweise Viren enthalten, würden sich vor allem in Innenräumen anreichern. "Im Außenbereich werden diese abtransportiert und dann passiert sowas nicht", so Asbach.
Ist die Ansteckungsgefahr beim Sport im Freien größer? Weil man heftiger atmet?
"Wenn ich rausgehe, also spazieren gehe oder Fahrrad fahre, also in Bewegung bin, dann muss ich mir eigentlich keine Sorgen machen, dass ich mich anstecke, das Risiko ist extrem gering", sagt der Aerosol-Forscher Asbach.
Im vergangenen Jahr sorgte eine niederländische Studie für Aufmerksamkeit, die bei Radfahrern zum Beispiel Abstände von bis zu 20 Metern nannte, damit niemand in die Aerosol-Partikelwolke des anderen gerät. Ulrich Grünewald aus dem Quarks-Wissenschaftsteam gibt jedoch Entwarnung: Die Studie sei in einem Windkanal gemacht worden, der eine andere Situation darstelle als im Wald oder am Rhein. "Die Aerosole sind so klein und leicht, dass sie ganz schnell verweht werden und eigentlich keine Rolle mehr spielen", so Grünewald. Das gelte natürlich nur bei einem Abstand von mehr als 1,50 Metern.
Dann ist auch eine Maske beim Sport im Freien nicht notwendig, wie Grünewald weiter erklärte. Sobald man sich aber beim Joggen unterhalte und anschaue, sähe es schon wieder anders aus. Stichwort: Tröpfcheninfektion. Außerdem würden Masken dazu beitragen, dass sich Fußgänger sicherer und respektierter fühlen - und das dürfte die Situation letztlich für beide Seiten entspannen.
Welchen Unterschied macht es, wenn es draußen kalt oder warm ist?
Es gibt laut Christof Asbach zwar Unterschiede, wie sich Aerosole bei Wärme und Kälte verhalten, und zwar, dass die Partikel mit der Atemluft bei Kälte eher nach oben steigen, als wenn es warm ist - aber das spiele für die Infektion keine Rolle. Entscheidend sei, dass die Menschen im Sommer mehr rausgingen und deshalb Aerosole weniger Chancen hätten. Sein Kollege Gerhard Scheuch wies zudem auf die Wirkung von vermehrter UV-Strahlung durch mehr Sonnenschein hin, wodurch die Viren abgetötet würden.
Asbach wies darauf hin, dass es in einigen Ländern, in denen es zurzeit warm sei, steigende Corona-Zahlen gebe. Das sei jedoch darauf zurückzuführen, dass es dort zu heiß sei, um sich länger im Freien aufzuhalten. Die Leute gingen also in von Klimaanlagen gekühlte Räume und würden sich dort infizieren.
Ist es sinnvoll, draußen eine Maske zu tragen?
Ja - zumindest solange man nicht sicherstellen kann, dass man Abstände zu anderen einhalten kann. Denn wie die Forscher übereinstimmend feststellen, besteht im Freien eigentlich nur ein Risiko, wenn man durch zu wenig Abstand die Aerosolwolke des anderen einatmet.
Vor allem wenn man in Gruppen zusammenstehe und sich unterhalte, sollte man auch draußen eine Maske tragen, rät Christof Asbach.