Corona-Aerosole: Wie gefährlich sind Klimaanlagen?

Stand: 25.07.2020, 12:35 Uhr

  • Studien: Klimaanlagen und Corona-Verbreitung können zusammenhängen
  • Was bedeutet das für unseren Alltag?
  • Noch gibt es viele offene Fragen

Im Kampf gegen das Corona-Virus heißt die goldene Regel: 1,5 Meter Abstand halten. Aber leider hilft das offenbar nur beim Husten und Niesen. Denn eine neue Studie des Helmholtz-Zentrums zeigt: Aerosole - kleinste Tröpfchen in unserer Atemluft - können bis zu acht Meter fliegen.

Besonders in geschlossenen Räumen kann das zum Problem werden - wenn Klimaanlagen im Einsatz sind. Bei Tönnies soll laut der Studie ein Superspreader mit ausgehusteten Tröpfchen am Arbeitsplätzen seine Kollegen angesteckt haben - über alle bekannten Distanzen weg.

Sind alle Klimaanlagen Virenschleudern?

Nein, es geht um Klimaanlage, bei denen der Frischluftanteil gering ist - sagt WDR-Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. "Hier spricht viel dafür, dass durch die permanente Umwälzung ständig Aerosole mit dem Virus in der Luft sind und sich Menschen anstecken, obwohl sie weiter weg sind als zwei Meter."

Wenn Klimaanlage allerdings einen hohen Anteil an Frischluft zuführen, ist die Gefahr der Verbreitung virenbeladenen Aerosole wohl weitaus geringer.

Aerosole oder Schmierinfektion - wie stecke ich mich an? Frag dich fit – der Gesundheitspodcast mit Doc Esser und Anne 08.06.2020 20:40 Min. Verfügbar bis 07.06.2033 WDR 2

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Ist die Gefahr der Viren-Verbreitung in allen Räumen gleich groß?

Nein, im Schlachtbetrieb bei Tönnies gab es mehrere begünstigende Faktoren: Kühle Temperaturen, Luftumwälzung statt Frischluftzufuhr, Heftiges Atmen bei harte körperliche Arbeit und lautes Schreien bei Maschinenlärm.

"Solche Bedingungen gibt es im Büro oder in Geschäften so nicht", sagt WDR-Wissenschaftsredakteurin Julia Polke. "Da gibt es bei den Klimaanlagen immer auch eine Frischluftzufuhr." Da sei nicht von einer Verteilung der virenbeladenen Aerosole über eine Distanz von acht Metern auszugehen.

Eine Studie, die von Kinobetreibern in Auftrag gegeben wurde, wiederum kommt zum Ergebnis: Kinos seien weniger gefährlich als Büros. Es gehe nur am Rande darum, wie viele Menschen sich in einem Raum befänden, sondern wie groß die Klimaanlage dimensioniert ist.

"Im Büro hat man eine kleine Frischluftmenge im Vergleich zum Kino", sagt Professor Martin Kriegel von der TU Berlin. Deswegen würden die virenbeladenen Aerosole in einem Kinosaal schneller als im Büro abgeführt.

Was muss getan werden?

Noch ist manches unklar. Sind die Ergebnisse allgemein gültig? Oder sind es nur Einzelstudien zu Einzelfällen?

Aus Sicht des Bonner Hygiene-Professors Martin Exner gibt es eine Grundregel: "Bei raumlufttechnischen Anlagen möglichst mit 100 Prozent Frischluft arbeiten." Da dies aber nicht immer möglich sei, müsse überlegt werden, wie man bei notwendigem Umluftbetrieb die Luft besser aufbereitet könne.

"Wenn es technisch nicht anders geht, sollte man Hochleistungsfilter einsetzen oder die Raumluft dezentral erfassen und in mobilen Luftreinigungssystemen aufbereiten." Dabei werde Luft über sehr feinporige Filter geführt, die in der Lage sind, Viren aus der Raumluft heraus zu filterten.