Um kurz nach 7 Uhr morgens läuft der Berufsverkehr an einem durchschnittlichen Montag schon längst. In Oberhausen sind es Fahrgäste nicht unbedingt gewöhnt, dass ein großer Schwall von Pendlern durch den Bahnhof läuft und sich auf einem der Bahnsteige quetscht. Das wird hier jetzt aber Alltag - immer wieder mal für die nächsten 80 Wochen.
So lange baut die Bahn an der Betuwe-Linie, und sie sagt selber, dass es etwas Vergleichbares noch nicht gab. Am Niederrhein ist besonders viel Güterverkehr unterwegs, diese Strecke geht eigentlich runter bis nach Italien. Und auf niederländischer Seite ist sie eine der modernsten Güterzug-Strecken der Welt. Da will Deutschland jetzt aufholen.
Betuwe-Linie hat Leistungsgrenze erreicht
Zwei Gleise reichen nicht, deshalb soll ein drittes hinzukommen. Für Pendlerinnen und Pendler heißt das also: Augen zu und durch. Am ersten Berufsverkehrs-Tag mit Schienenersatzverkehr scheinen einige noch ganz orientierungslos, wenn sie aus Richtung Niederrhein in Oberhausen stranden.
Die meisten wissen aber, wo sie hin wollen: In drei Minuten fährt der Anschluss ab. Der Regionalexpress 19 nach Düsseldorf. Da muss auch mal ein schnellerer Schritt her, damit alles glatt läuft. Die Busse scheinen aber nicht überfüllt. Manche haben sich offenbar anders aufgestellt, vielleicht sind sie mit dem Auto unterwegs.
Irritation: Wo fährt der Bus ab?
Das ist für zwei junge Männer aus Essen nicht so einfach. Sie müssen nach Dinslaken zur Berufsschule. Führerschein? Fehlanzeige. Also weiter mit dem Schienenersatzverkehr. Als sie an der Haltestelle ankommen, scheinen sie etwas irritiert. "Hier ist gar kein RE 5", sagen sie.
"An sich ist das gut ausgeschildert, so dass wir wissen, wo wir hin müssen. Theoretisch. Aber das ist nicht hundertprozentig genau", sagt einer der beiden. Der andere erwidert: "Ich mache jetzt sowieso meinen Führerschein". Nicht wegen der Bahnsperrung, sondern einfach, um ihn zu haben.
Die zwei sind trotzdem optimistisch, was die Monster-Sperrung angeht. "Die erste Zeit wird's glaube ich echt nervig sein. Aber ich glaube irgendwann gewöhnt man sich dran." Und dann steht da schon der Bus in Richtung Wesel, auf der anderen Straßenseite. Die beiden Essener rennen schnell rüber. Bloß keine Zeit verlieren.
Erster Spatenstich schon 2017
Die aufwendige Bahnsperrung wurde schon im Vorfeld umfassend geplant. Alleine jetzt bei der dreiwöchigen Sperrung im November gebe es mehr als 20 Baustellen, sagt Projektingenieur Jan-Niklas Swart von der Deutschen Bahn in der WDR Lokalzeit. Von den einzelnen, kleinen Bauarbeiten sind eben alle weiteren Vorhaben abhängig.
"Deswegen wissen wir auch jetzt schon auf die Minute genau, wann die Gleise wieder befahrbar sind. Weil andere Baufirmen sich darauf verlassen, dass sie zum Beispiel ihren Schotter, den sie brauchen, um Gleise zu bauen, wieder über die neuen Gleise fahren zu können." Bis zu zehn Firmen arbeiten da an einer Baustelle: Die einen machen die Beleuchtung, andere die Kabel und so weiter.
Viele Linien im Einsatz
Zurück nach Oberhausen: Einer der Schienenersatzverkehrs-Busse kommt um 7:30 Uhr nicht. Ärgerlich für eine handvoll Fahrgäste, auch für Jordan, der mit der bei den kühlen Temperaturen fast schon zu dünnen Jeans-Jacke an der Haltestelle steht. Er will zur Arbeit nach Wesel. Aber mit dem Express-Bus, nicht mit dem, der an jedem kleinen Bahnhof hält.
Seine Meinung dürfte trotzdem einige überraschen: "Lieber Bus als die Bahn", sagt er. Der Ersatzverkehr läuft seiner Meinung nach deutlich besser als der reguläre Verkehr mit dem Zug. "Da muss man mit leben", auch wenn die Sperrungen sich so lange zieht. Der Bus lässt trotzdem auf sich warten. "Man kann jetzt nur noch beten, wie beim Zug."
Trotz einzelnen Ausfällen: Ersatzverkehr läuft
15 Minuten später kommt dann einfach der nächste Bus - mit Halten in Wesel, Emmerich und Arnheim in den Niederlanden. In den gut gefüllten, aber nicht überfüllten Bus kann er einsteigen. Sowieso macht der Schienenersatzverkehr einen guten Eindruck: Fahrgäste müssen sich nicht quetschen, alle Viertelstunde kommt ein Bus. Service-Mitarbeiter informieren orientierungslose Fahrgäste an den Haltestellen.
Und dann hält der nächste Bus vom Niederrhein in Oberhausen. Ein Schwall Pendlerinnen und Pendler geht wieder schnellen Schrittes ins Bahnhofsgelände. Für die nächsten knapp zwei Jahre werden sie sich daran gewöhnen müssen.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Pendlerinnen und Pendler in Oberhausen
- Deutsche Bahn