Erster Todestag Mouhamed Dramé: Tödliche Polizei-Schüsse in Dortmund

Aktuelle Stunde 08.08.2023 12:10 Min. UT Verfügbar bis 08.08.2025 WDR Von Christof Voigt

Ein Jahr nach den Schüssen: "Wir werden Mouhamed niemals vergessen"

Stand: 08.08.2023, 19:08 Uhr

Ein Jahr ist es her, dass Mouhamed Dramé bei einem Polizeieinsatz in Dortmund erschossen wurde. Zu seinem Todestag haben sich am Dienstag rund 50 Personen am Kurt-Piehl-Platz in der Dortmunder Nordstadt zu einer Mahnwache eingefunden.

Von Catherine Jaspard, Christof Voigt und David Peters

Auch William Dountio vom Solidaritätskreis Mouhamed ist dabei. Es ist auch für ihn ein schwieriger Tag. Er steht regelmäßig in Kontakt mit Mouhameds Familie. "Ich bin sehr betroffen von dem Schmerz der Familie, mit der ich heute telefonieren durfte", erzählt er.

Mouhameds Familie dankbar für die Unterstützung

Dennoch freue sich die Familie sehr über die Aktion und dass sie auch ein Jahr nach dem Tod von Mouhamed so viel Unterstützung in Deutschland fänden. "Für sie ist das von sehr großer Bedeutung", berichtet William Dountio.

Menschen stehen am Zaun, dort sind Bilder von Mouhamed aufgehängt und Grabkerzen stehen davor

William Dountio und die Anwältin der Familie gedenken Mouhamed

Kurz vor 17 Uhr gehen William Dountio und viele andere Besucher der Mahnwache rund 100 Meter zu dem Ort, wo Mouhamed Dramé vor einem Jahr erschossen wurde. Auch Lisa Grüter, die Anwältin der Familie ist dabei. Gemeinsam halten die Menschen eine Schweigeminute ab und legen Blumen am Zaun der Jugendeinrichtung nieder.

Der Lokalzeit-Podcast "Mouhamed Dramé – Wenn die Polizei tötet"

Mouhamed wird niemals vergessen

"Hier werden wir Mouhamed niemals vergessen. Seit dem Tag, an dem er gestorben ist, reden wir von morgens bis abends über ihn", erzählt Sidy Dramé, der Bruder von Mouhamed Dramé. Er lebt in Ndiaffate, einem kleinen Dorf im Senegal. Von dort hatte sich Mouhamed auf die beschwerliche Reise nach Europa gemacht.

Auch nach einem Jahr ist es für Sidy Dramé immer noch schwierig über seinen kleinen Bruder zu sprechen. Mouhamed habe immer alle zum Lachen gebracht und sei zu jedem lieb gewesen, erinnert er sich.

Polizisten treffen auf 16-Jährigen in psychischer Ausnahmesituation

Vor einem Jahr - am 8. August 2022 starb Mouhamed Dramé. Der 16-Jährige hatte in einer psychischen Ausnahmesituation mit einem Messer im Innenhof einer Jugendeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt gesessen. Die Betreuer riefen die Polizei. Die Beamten setzten Pfefferspray und Taser ein. Fast zeitgleich schoss einer der Polizisten mit einer Maschinenpistole auf Mouhamed Dramé. Im WDR-Interview hatte der leitende Oberstaatsanwalt Carsten Dombert bereits nach kurzer Zeit Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes angemeldet.

Auch für Sidy Dramé steht fest, dass bei dem Einsatz etwas schief gelaufen ist: "Wir glauben nicht, dass ein 16-jähriges Kind so sterben muss." Er hofft, dass es Gerechtigkeit für seinen Bruder geben wird. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat Anklage gegen fünf am Einsatz beteiligte Polizisten erhoben.

Seitdem warten die Familie von Mouhamed Dramé und ihre Anwältin Lisa Grüter auf den Beginn des Prozesses. Dieser soll voraussichtlich gegen Ende des Jahres starten. Das sei "leider" die übliche Wartezeit, die in der Justiz herrsche, so Grüter. "Das ist nicht überraschend, aber natürlich ist es für uns und die Familie frustrierend, so lange zu warten."

Tödliche Schüsse lösen Debatten über die Polizei aus

Der Tod von Mouhamed Dramé hatte Diskussionen über Rassismus, Polizeigewalt, aber auch den polizeilichen Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen ausgelöst. Viel Kritik bekam auch Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange zu spüren.

"Uns ist nach dem 8. August im vergangenen Jahr schmerzlich klar geworden, dass wir nicht überall die gleiche Akzeptanz haben", so Lange im WDR-Interview. Die Kritik habe man zum Anlass genommen, wieder mehr Vertrauen aufzubauen - insbesondere bei Menschen mit Migrationshintergrund.

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange

Auch im Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen habe es Veränderungen gegeben, berichtet Lange: "Wir können nicht warten, bis ein strafrechtliches Verfahren dieser Länge abgeschlossen ist. Wir haben sofort einen Dienstunterricht zum Umgang mit psychisch kranken Menschen in Einsätzen installiert."

William Dountio organisierte die Mahnwache

Viel Kritik an der Dortmunder Polizei kam von William Dountio und dem "Solidaritätskreis Mouhamed". Dountio hatte nach den tödlichen Schüssen auf Mouhamed Dramé Protestaktionen mitorganisiert - darunter auch die Mahnwache, die am Dienstag am Kurt-Piehl-Platz in der Nähe des Einsatzortes stattfand.

William Dountio im Portrait

William Dountio

"Es geht darum, das Leben von Mouhamed zu zelebrieren, zu zeigen, wer Mouhamed war", erklärt William Dountio. Man wolle aber auch mit Menschen vor Ort ins Gespräch kommen, denn viele Bewohner der Nordstadt hat der Fall Mouhamed bewegt. Das sei auch immer noch so, berichtet Dountio. "Die meisten Menschen, die ich getroffen habe, haben immer noch viele Fragen und haben wenig Antworten bekommen."

Familie will Prozess in Deutschland besuchen

Sidy Dramé hofft, dass die offenen Fragen im Prozess aufgeklärt werden. Gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern will er zum Prozessauftakt nach Dortmund reisen. Dort möchte die Familie auch die Stelle sehen, an der Mouhamed erschossen wurde.

Den ersten Todestag verbringt die Familie allerdings im Senegal: "Wir wollen zu Mouhameds Grab, um dort aus dem Koran zu rezitieren. Dann geht es wieder nach Hause", erzählt Sidy Dramé. Und nicht nur in diesem Jahr: "Wir werden jedes Jahr eine Gedenkfeier für Mouhamed organisieren. Das schwören wir."

Über dieses Thema berichten wir am 08.08.2023 im WDR-Fernsehen in der Lokalzeit sowie im Hörfunk auf WDR 2.