Tödliche Polizeischüsse auf 16-jährigen Mouhamed Dramé: Prozess beginnt in Kürze
Stand: 30.11.2023, 08:40 Uhr
Im Fall des in Dortmund durch Polizeischüsse getöteten 16-jährigen Mouhamed Dramé beginnt nach WDR-Informationen in Kürze der Prozess. Fünf Polizisten müssen sich ab dem 19. Dezember vor dem Landgericht verantworten. Sie waren an dem Einsatz im Sommer 2022 beteiligt.
Von David Peters
Der Polizist, der die tödlichen Schüsse abgefeuert hat, ist wegen Totschlags angeklagt. Drei weitere Polizisten wegen gefährlicher Körperverletzung – der Einsatzleiter wegen Anstiftung dazu. Die Beamten waren zu einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt gerufen worden, weil der 16-Jährige Senegalese sich ein Messer vor den Bauch gehalten hatte. Nachdem die Beamten Pfefferspray einsetzten, eskalierte die Situation. Die Polizisten fühlten sich bedroht, einer erschoss Mouhamed Dramé mit einer Maschinenpistole.
Nach Ansicht des Dortmunder Oberstaatsanwalts Carsten Dombert haben die Ermittlungen ein klares Ergebnis geliefert: "Polizeiliches Handeln richtet sich immer danach aus, dass es verhältnismäßig ist. Das heißt, das mildeste Mittel muss gewählt werden und das war in diesem Fall nicht gewährleistet."
Dramé war in einer Jugendeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt untergebracht. Vor dem tragischen Einsatz soll er im Hof gesessen und sich ein Messer vor den Bauch gehalten haben. Weil er auf die Ansprache der Polizistinnen und Polizisten nicht reagierte, setzten die zuerst Pfefferspray gegen ihn ein. Daraufhin soll der 16-Jährige aufgestanden und auf die Beamten zugegangen sein.
Tödliche Schüsse mit Maschinenpistole
Oberstaatsanwalt Carsten Dombert
Zwei Polizistinnen und Polizisten schossen mit Tasern auf ihn. Die sollen aber keine Wirkung gehabt haben. Fast zeitgleich feuerte ein Polizist mehrfach mit einer Maschinenpistole auf den Jungen und verletzte ihn tödlich. Schon der Einsatz des Pfeffersprays sei zu dem Zeitpunkt nicht notwendig gewesen, so Oberstaatsanwalt Dombert. Man hätte auch Kommunikation und eine Verhandlungsgruppe setzen können.
Zunächst war gegen den Schützen nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt worden. Jetzt lautet der Vorwurf Totschlag. Der Polizist habe aus Sicht der Staatsanwaltschaft "ohne rechtfertigenden Anlass" auf Mouhamed Dramé geschossen, sagt Oberstaatsanwalt Dombert. Mit den Schüssen auf Oberkörper und Kopf habe der Schütze dessen Tod billigend in Kauf genommen.
Polizisten nehmen Anklage mit Fassungslosigkeit auf
Der Dienstgruppenleiter, der wegen Anstiftung zu einer gefährlichen Körperverletzung angeklagt ist, wird vom Bochumer Rechtsanwalt Michael Emde vertreten. Die Anklage sei "nach dem öffentlichen Druck nicht überraschend", so Emde. Sie sei aber "fragwürdig". Sein Mandat ist der Ansicht, dass er das "mildeste Mittel" im Einsatz gewählt und entsprechend der Dienstvorschrift gehandelt habe.
"Die Vorwürfe, die da jetzt erhoben worden sind, werden von den Mandanten mit Fassungslosigkeit aufgenommen", berichtet der Rechtsanwalt. Das Ergebnis sei natürlich furchtbar, aber von vorsätzlichem Handeln könne aus Sicht der Mandanten keine Rede sein.
"Von Mouhamed ging keine Gefahr für Dritte aus"
Die Dortmunder Rechtsanwältin Lisa Grüter vertritt die Angehörigen von Mouhamed Dramé. Sie findet es wichtig, dass es in diesem Fall zum Prozess kommt. Auch, dass der Schütze wegen Totschlags angeklagt wird, hält sie für richtig. Eine Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge wäre "juristisch falsch" gewesen, so Grüter.
Rechtsanwältin Grüter hofft, dass es jetzt auch bald zu einem Prozess kommt: "Für die Öffentlichkeit und die Familie ist es ausgesprochen wichtig, dass zeitnah eine Aufklärung der gesamten Tat erfolgt."
Rechtsanwältin: Pfeffersprayeinsatz hat Lage eskalieren lassen
Grüter kritisiert, dass in manchen Medien "Falschinformationen" verbreitet würden, die dazu geeignet sein könnten, die Polizisten in einem besseren Licht dastehen zu lassen: "Da wird berichtet, dass Mouhamed mit dem Gesicht zur Wand gestanden haben und dann auf die Beamten zugerannt sein soll. Das lässt sich nach Aktenlage und den Zeugenaussagen alles so nicht bestätigen."
Die Anwältin macht den Einsatz von Pfefferspray gegen Mouhamed Dramé für die Eskalation der Lage verantwortlich: "Die Lage war statisch. Und aus meiner Sicht ging von Mouhamed keine Gefahr für eine dritte Person aus." Auch eine Selbstgefährdung hätte nicht mehr in dem Maße bestanden, dass der Einsatz von Pfefferspray und Tasern gerechtfertigt gewesen sei.