Mehrere Menschen halten ein Banner hoch.

Anwältin kritisiert Ermittlungen zum Tod von Mouhamed Dramé

Stand: 08.09.2022, 16:00 Uhr

Waren an den Ermittlungen zum Tod des 16-jährigen Mouhamed doch Dortmunder Polizisten beteiligt? Diesen Vorwurf erhebt die Anwältin der Familie des erschossenen Flüchtlings.

Von Christof Voigt

Der 16-jährige Mouhamed Dramé war als unbegleiteter Flüchtling aus dem Senegal nach Dortmund gekommen. Hier, im Hof einer Jugendeinrichtung, starb er bei einem Polizeieinsatz durch Schüsse aus einer Maschinenpistole der Dortmunder Polizei. Aus Neutralitätsgründen ermittelt die Polizei Recklinghausen. Doch nach Ansicht der Anwältin Lisa Grüter waren dabei auch Polizisten aus Dortmund involviert.

"Ich weiß, dass Nordwachenbeamte Zeugen aus den Häusern geholt haben."

Ende August habe es eine größere Zeugenbefragung in der Straße gegeben, in der die tödlichen Schüsse fielen. Zwar habe die Recklinghäuser Kriminalpolizei die Zeugen konkret befragt, aber Dortmunder Beamte der Nordstadtwache hätten für diese Befragungen Anwohner aus ihren Häusern geholt. Das haben Anwohner der Dortmunder Rechtsanwältin erzählt: "Wenn ich mir überlege, dass das diejenigen sind, die filtern: Wer kommt überhaupt als Zeuge in Betracht, wen bringen wir nach draußen zu unseren Kollegen von der Kripo, wen nicht? Das finde ich schwierig, wenn man auf der anderen Seite um Neutralität bemüht ist."

Oberstaatsanwalt betont „absolute Neutralität“

Carsten Dombert, der leitende Oberstaatsanwalt in Dortmund, möchte das nicht weiter kommentieren. Er sagt aber, dass an den Zeugenvernehmungen seiner Kenntnis nach ausschließlich Beamte des Polizeipräsidiums Recklinghausen beteiligt gewesen seien. Sollte es Zeugen dafür geben, dass Anwohner von Dortmunder Polizisten für Vernehmungen ausgewählt wurden, sollten die sich bei ihm melden. Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Dombert die Ermittlungen ausgeweitet hat und gegen vier weitere Beamte der Dortmunder Polizei ermittelt wird.

In diesem Zusammenhang hatte Dombert die professionelle und neutrale Arbeit der ermittelnden Beamten der Recklinghäuser Polizei explizit gelobt. Es habe ja viele Zweifel an der Neutralität der Ermittlungen durch eine Nachbarbehörde gegeben, dafür gebe es überhaupt keinen Anlass. Dombert möchte nicht, dass „zehntausende Polizeibeamte, die in NRW für Sicherheit sorgen und die Kriminalität bekämpfen“ durch dieses Verfahren in Misskredit gezogen werden: "Das würde deren Arbeit nicht im Ansatz gerecht werden", so der Dortmunder Oberstaatsanwalt.

Familie von Mouhamed Dramé hat viele Fragen

Anwältin Lisa Grüter sitzt am Schreibtisch

Anwältin Lisa Grüter vertritt die Familie von Mouhamed Dramé

Lisa Grüter steht mit dem Vater und dem Bruder von Mouhamed Dramé aus dem Senegal in Kontakt. Viel sagen kann sie der Familie noch nicht, sie hat Akteneinsicht beantragt. Die Akten liegen ihr aber noch nicht vor. Die Familie könne nicht fassen, was da passiert sei, so Grüter: "Der Sohn hat es geschafft, hier nach Europa zu kommen und sollte hier in Sicherheit leben und ist jetzt erschossen worden von Polizeibeamten. Die Familie hat natürlich tausend Fragen, die wünschen sich Aufklärung, die wünschen sich, dass es gesühnt wird, sofern das möglich ist."

Familie bekommt Unterstützung aus Dortmund

Und ganz vordergründig wünsche sich die Familie aktuell, dass Vater und Bruder mal nach Deutschland reisen können, um den Ort zu sehen, an dem ihr Sohn und Bruder verstorben ist. Die Familie des 16-Jährigen bekommt nicht nur juristischen Beistand aus Dortmund sondern auch Unterstützung von Anwohnern. Nachbarn aus dem Viertel, in dem Mouhamed Dramé kurz gelebt hat, haben sich zusammengeschlossen. Mit einem Spendenaufruf haben sie schon knapp 3.000 Euro für seine Familie gesammelt. Außerdem fordern sie mit einer Petition an den Landtag in Düsseldorf, dass eine unabhängige Untersuchungskommission zum Tod der 16-Jährigen eingesetzt wird. Diese Petition haben mittlerweile mehr als 37.000 Menschen im Internet unterzeichnet.

Über dieses Thema berichten wir heute auch im WDR5 Stadtgespräch. Der Eintritt zum Stadtgespräch im Dortmunder Reinoldinum ist frei.