Weinlese in Nettetal
Lokalzeit aus Düsseldorf. 19.09.2023. Verfügbar bis 19.09.2025. WDR. Von Helge Drafz.
Weinbau in Nettetal
Stand: 24.09.2023, 12:00 Uhr
Klimawandel und pilzresistente Traubensorten machen es möglich: Weinbau gibt es jetzt auch abseits der traditionellen Anbaugebiete. In Nettetal im Kreis Viersen steht die Weinlese an.
Von Helge Drafz
"Na, wieviel ist es?“ Jonas Windbergs steht nervös im Weinberg zwischen den Rebstöcken und schaut seinem Bruder Simon zu, der in ein etwa bleistiftgroßes Röhrchen schaut. Mit dem Refraktometer, so der Name des kleinen Geräts, misst er den Zuckergehalt der Trauben. "95, nein sogar 97 Grad Oechsle haben wir, es kann losgehen!“
Simon Windbergs misst den Zuckergehalt der Trauben
Die Weinlese kann starten, heißt das, denn die Trauben sind reif. Strahlend gehen die Brüder zusammen mit ihrem Freund Matthias Baaken den sanften Hang am Ortsrand von Nettetal-Hinsbeck hinauf, an dem die drei im letzten Jahr 1200 Reben gepflanzt und damit ein ambitioniertes Projekt begonnen haben: die Etablierung des Weinbaus am Niederrhein.
"Weinbau am Niederrhein - viele haben uns erstmal ausgelacht“
Mit Weißwein wollen sie beginnen, als Rebsorte haben sie "Souvignier gris“ gewählt, eine gerade mal dreißig Jahre alte Neuzüchtung, die besonders resistent gegen Pilzkrankheiten sein soll. "Wenn wir etwas anfangen, dann richtig“, erzählt Simon Windbergs. Seit Kindesbeinen schon haben die beiden Brüder bei Winzern an der Mosel ausgeholfen und viel über Weinbau gelernt.
Beruflich machen sie ganz etwas anderes. Den landwirtschaftlichen Sachverstand brachte ihr Freund Matthias Baaken mit, der einen Bauernhof mit Milchkühen und Hühnern betreibt. Er stellte auch den sonnenbeschienenen Hang zur Verfügung, an dem jetzt gleich hinter dem Kuhstall an Drahtgestellen die Reben mit den rötlichen Trauben stehen.
"Die Leute, die sehen, was wir hier machen, sind schon ziemlich skeptisch“, sagt Baaken. Manche lachen uns auch aus: "Wein? Hier? Was ein Unsinn!“ Und jetzt werden es – wenn alles gut geht – schon im ersten Jahr annähernd tausend Liter Wein werden.
Weinlese, bevor die Vögel alle Trauben fressen
André Dückers (l.) und Marcel Fritz vor den Gärbottichen
Nur wenige Kilometer entfernt, am anderen Ende von Nettetal, hantieren André Dückers und Marcel Fritz in einer umgebauten Garage mit Schläuchen und Anschluss-Stücken. Auch diese beiden Niederrheiner brennen für den Weinbau. Sie bereiten Gärbottiche und Tanks für die Herstellung, Lagerung und Abfüllung ihres Weins vor.
Anschließend treffen sie sich mit Freunden im Weinberg ganz in der Nähe. Spontan hat André Dückers alle Freunde nebst Familien zusammen getrommelt. Der Rotwein muss sofort gelesen werden, sonst sind die dunklen Trauben der Sorte "Pinotin“ weg. Vögel haben die Früchte entdeckt und schon viel weggefressen. 1.700 Reben haben die Hobby-Winzer in den letzten drei Jahren gepflanzt, weitere 500 kommen noch dazu.
Zuviel Arbeit sei das nicht, sagt Marcel Fritz, der hier im Abendlicht mit der Rebschere eine üppige blaue Traube nach der anderen abschneidet und in einen Korb wirft: "Ich bin hier an der frischen Luft, ganz weit weg von meinem Berufsalltag, zusammen mit Freunden und sehe danach, was ich hier gemacht habe. Das ist Entspannung pur, toll!“
Weinfest in Nettetal geplant
Weinstock grenzt an Kuhwiese
Zwei Freundeskreise, zwei Weinbauprojekte in der Stadt an der niederländischen Grenze – meinen die Jung-Winzer das wirklich ernst mit dem Weinbau? Klar, sagen alle, wenn man sie fragt. Wenn in England und Schweden inzwischen Wein angebaut wird, warum dann nicht hier? Die Niederländer würden es doch vormachen: Längs der Grenze seien auf niederländischer Seite in den letzten 20 Jahren eine ganze Reihe von Betrieben entstanden.
Simon und Jonas Windbergs und Matthias Baaken werden die Verarbeitung ihrer Trauben erstmal einem Kollegen überlassen, der in Geldern mit dem Weinbau begonnen hat. Und wenn ein guter Tropfen dabei herauskommt, wollen sie weiter sehen: Dann werden sie noch Reben hinzu pflanzen und sich auch an die Kellertechnik heranwagen.
Was aber jetzt schon feststeht: Im kommenden Jahr wird es in Nettetal-Hinsbeck ein Weinfest geben, im Herbst und so zünftig, wie man es vom Rheintal oder von der Mosel kennt.